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Werkvertrag – Ermittlung der Minderung des Werklohns wegen Baumangel

Oberlandesgericht Schleswig, Az.: 1 U 157/14, Urteil vom 19.02.2016

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.07.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Kiel ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die andere Partei vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Minderungsanspruch geltend.

Der Kläger ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in P. Am 28.09.2007 erteilte er dem Beklagten den Auftrag, ein Wärmedämmverbundsystem anzubringen (Anlage K 1, AB).

Werkvertrag - Ermittlung der Minderung des Werklohns wegen Baumangel
Symbolfoto: Von kemot7 /Shutterstock.com

In einem Verfahren vor dem Landgericht Kiel (11 O 255/09) machte der Beklagte einen restlichen Werklohnanspruch geltend. Der Kläger verteidigte sich unter anderem mit Mängeln und erklärte die Minderung. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 23.08.2010 (Anlage K 5, AB) zu dem Ergebnis, dass die Putzstärke von dem Beklagten mangelhaft ausgeführt sei und die Mangelbeseitigungskosten ohne Gerüstbau 6.808,80 € brutto betrügen. In dem klagabweisenden Urteil vom 28.04.2011 (Anlage K 4, AB) führte das Landgericht aus, dass dem hier Beklagten eine restliche Werklohnforderung in Höhe von 3.547,56 € brutto zustehe, diese jedoch durch die Minderung erloschen sei.

In einem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Kiel (9 OH 39/11) machte der Kläger weitere Mängel geltend. Im Gutachten vom 20.02.2012 (Anlage K 10, AB) stellte der Sachverständige unter anderem fest, dass die Gerüstkosten für die Sanierung des Putzes 4.700,00 € netto betrügen.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger die Mangelbeseitigungskosten bezüglich des Putzes in Höhe von 6.808,80 € abzüglich des restlichen Werklohnanspruchs des Beklagten, die Gerüstkosten zuzüglich Umsatzsteuer sowie Kosten für die Beseitigung weiterer Mängel geltend gemacht. Er hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 12.789,69 € erstrebt. Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat dem Kläger, neben einem weiteren Betrag in Höhe von 2.641,80 €, wegen der Minderung nach § 638 Abs. 4 BGB einen Betrag von 3.261,24 € zugesprochen. Es hat ausgeführt, das Landgericht Kiel habe bereits in dem Vorprozess rechtskräftig über die Höhe der Minderung entschieden, die es auf 6.808,80 € brutto festgesetzt habe. Es habe nämlich ausgeführt, dass die Mangelbeseitigungskosten Grundlage für die Berechnung der Minderung sein könnten, weil die Relation zu dem Gesamtwerklohn nicht unverhältnismäßig sei. Dem würde die Grundlage entzogen, wenn weitere Beträge zuerkannt würden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers. Er erstrebt mit der Berufung die Zahlung der Gerüstkosten zuzüglich Umsatzsteuer. Zur Begründung führt er aus, die Höhe der Minderung sei vom Landgericht nicht rechtskräftig festgestellt worden. Aus dem vom Landgericht eingeholten Gutachten ergebe sich, dass die dort aufgeführte Höhe der Mangelbeseitigungskosten nicht abschließend sei. Das sei auch dem Landgericht bewusst gewesen. Ob die weiteren Kosten verhältnismäßig seien, könne im vorliegenden Verfahren neu abgewogen werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Kiel – 9 O 240/13 – vom 17.07.2014 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an ihn weitere 5.593,00 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein weiterer Anspruch aus § 638 Abs. 4 S. 1 BGB zu. Zwar würde eine Nachforderung nicht an der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Kiel (11 O 255/09) vom 28.04.2011 scheitern, jedoch ist der Werklohnanspruch des Beklagten nicht in einem größeren Umfang durch Minderung erloschen, als es vom Landgericht bereits im angefochtenen Urteil zu Grunde gelegt worden ist.

1. Die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Kiel (11 O 255/09) vom 28.04.2011 würde die Zuerkennung eines höheren Minderungsbetrages nicht hindern. Denn wenn eine Klage wegen der Aufrechnung durch den Beklagten abgewiesen wird, ist damit nach § 322 ZPO rechtskräftig nur entschieden, dass die Gegenforderung in Höhe der Klageforderung erloschen ist. Eine Nachforderung ist nicht ausgeschlossen, wenn erkennbar ist, dass die zur Aufrechnung gestellte Forderung tatsächlich höher ist als die Klageforderung (BGH NJW 1998, 995; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 322, Rn. 21, vor § 322, Rn. 47).

So liegt es hier, weil für alle Beteiligten des vorangegangenen Rechtsstreits erkennbar war, dass die Mangelbeseitigungskosten höher waren als der Restwerklohn des Beklagten und der Ansatz des Sachverständigen keine Gerüstkosten enthielt. Daran ändert es nichts, dass bei der Schätzung der Minderung auf die Höhe der zur Mangelbeseitigung notwendigen Kosten eine Korrektur angebracht ist, wenn sie in einem auffälligen Missverhältnis zu dem Gesamtwerklohn stehen. Das wäre im Folgeprozess erneut zu prüfen mit der Folge, dass die Minderung gegebenenfalls zu beschränken wäre.

2. Der Minderungsbetrag ist nicht höher als die vom Landgericht bereits berücksichtigten 6.808,80 €. Die Gerüstkosten können zur Bestimmung der Höhe der Minderung nicht herangezogen werden.

Wählt der Besteller die Minderung, so ist nach § 638 Abs. 3 BGB der Werklohn in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Höhe der Minderung kann geschätzt werden. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Höhe der Minderung im Falle eines Bauvertrages durch die Kosten bestimmt werden kann, die zur Mangelbeseitigung notwendig sind (etwa BGHZ 58, 181, 184; BGH NJW-RR 1997, 688, 689; MK-BGB/Busche, 6. Aufl., § 638, Rn. 11; Staudinger/Peters/Jacobi, Bearb. 2014, § 634, Rn. 115; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 638, Rn. 4; Beck/OK BGB/Voit, Stand 01.02.2015, § 638, Rn. 7; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 2194).

Welche Beträge aber zu berücksichtigen sind, wenn die Höhe der Minderung nach den Mangelbeseitigungskosten bestimmt wird, wird in der Regel nicht näher diskutiert. Es ist zu fragen, ob die Mangelbeseitigungskosten in voller Höhe angesetzt werden können.

Nach Auffassung des Senats muss eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Gewährleistungsansprüchen des Bestellers nach § 634 BGB vorgenommen werden. Will der Besteller den Mangel beseitigt sehen, so kann er Nacherfüllung verlangen oder nach Ablauf einer dem Unternehmer gesetzten Frist nach § 637 BGB die für die Mangelbeseitigung notwendigen Bruttokosten verlangen. Will er sich die Beseitigung des Mangels vorbehalten, so kann er Schadenersatz in Höhe der Nettokosten verlangen und feststellen lassen, dass der Unternehmer auch die weiteren Kosten der Mangelbeseitigung zu tragen hat. Will er das Werk verkaufen und kann wegen des Mangels nur einen geringeren Erlös erzielen, kann er Schadenersatz verlangen. Will er das Werk wegen des Mangels nicht behalten, kann er den Rücktritt erklären. Schließlich kann er den Mangel hinnehmen und den finanziellen Minderwert ausgleichen lassen. Dann kann er die Minderung wählen.

Typischerweise bedeutet das, dass der Mangel nicht beseitigt werden soll. Daher ist bei der Bestimmung der Höhe der Minderung Zurückhaltung geboten. Die Festsetzung der Minderung auf die Höhe der Mangelbeseitigungskosten stellt lediglich eine Vereinfachung dar, weil die Kosten i. d. R. leichter zu ermitteln sind als das Verhältnis der Werte des Werks mit und ohne Mangel. Würde dem Besteller der volle Bruttobetrag der Mangelbeseitigungskosten zugesprochen, würde der Minderungsanspruch sinnwidrig als Kostenvorschussanspruch oder Schadenersatzanspruch ausgestaltet. Zudem bestünde die Gefahr der Überkompensation der Nachteile durch den Mangel für den Bauherrn, die hier wie bei anderen Ausgleichsansprüchen zu vermeiden ist.

a) Für die Ermittlung der Höhe der Minderung kann nur der Nettobetrag herangezogen werden. Würde man auch die Umsatzsteuer berücksichtigen, so würde ein Wertungwiderspruch zu dem Schadenersatzanspruch entstehen (zweifelnd auch Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 19. Aufl., § 13 Abs. 6 VOB/B, Rn. 61).

Verlangt der Besteller Schadenersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten, so kann er die Umsatzsteuer nicht verlangen, solange sie nicht angefallen ist, um eine Überkompensation des Schadens zu vermeiden (BGH, Urteil vom 22.07.2010, VII ZR 176/09, Rn. 12 ff. bei juris). Das schließt es aus, den Besteller dann besser zu stellen, wenn er die Minderung wählt. Denn dies bedeutet typischerweise, dass er den Mangel hinnehmen und nicht beseitigen lassen will. Daher wird typischerweise der Umsatzsteuerbetrag niemals anfallen. Es würde zu einer Überkompensation des mangelbedingten Minderwerts führen, dennoch den Bruttobetrag anzusetzen.

Zudem würde das zu einer Umgehung der Grundsätze der Schadensberechnung vor Ausführung von Mangelbeseitigungsarbeiten führen. Jeder Bauherr würde Minderung statt Schadenersatz wählen, um die Mangelbeseitigungskosten zzgl. Umsatzsteuer zu erhalten.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Kosten der Mangelbeseitigung inklusive Umsatzsteuer anzusetzen seien (OLG Hamm, Urteil vom 05.09.1997, 12 U 113/96, Rn. 43 bei juris; OLG München, Urteil vom 08.06.2004, 13 U 5680/03, juris; KG NJW-RR 2010, 65, 66; MK-BGB/Busche, 6. Aufl., § 638, Rn. 11; Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, Stand 28.07.2015, § 638, Rn. 19; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 638, Rn. 4). Das geschieht zumeist ohne nähere Begründung. Die Urteile des OLG Hamm, des OLG München und des KG sind durch die Entscheidung des BGH zur Erstattung der Umsatzsteuer im Wege des Schadensersatzes überholt. Soweit das KG ausführt, wenn auf den Werklohn Umsatzsteuer anfalle, müsse sie zur verhältnismäßigen Herabsetzung auch auf die Mangelbeseitigungskosten aufgeschlagen werden, überzeugt das nicht. Dass bei der Ermittlung der Höhe der Minderung zwischen Brutto- und Nettowerklohn zu unterscheiden wäre, geht aus § 638 Abs. 3 BGB nicht hervor. Zu mindern ist der einheitliche Bruttowerklohn, wenn Umsatzsteuer zu berechnen ist. Dieser Werklohn wird auch dann angemessen gemindert, wenn nur die Nettomangelbeseitigungskosten herangezogen werden.

b) Auch die Nettokosten zum Aufbau eines Gerüstes, der zur Mangelbeseitigung erforderlich würde, können nicht zur Bestimmung der Höhe der Minderung herangezogen werden. Denn solche Nebenkosten sind nicht geeignet, den Minderwert des Gebäudes auszudrücken.

Nebenkosten wie etwa Kosten der Sanierungsplanung, der Baustelleneinrichtung oder auch des Aufbaus eines Gerüstes, um an die mangelhaften Bauteile heranzukommen, fallen erst dann an, wenn der Mangel beseitigt werden soll, was bei der Wahl der Minderung regelmäßig nicht der Fall ist. Solche Kosten drücken den Minderwert des Gebäudes nicht aus, weil sie dem Gebäude nicht unmittelbar anhaften, anders als es bei einem Werkmangel der Fall ist. Im umgekehrten Fall lässt sich auch der Mehrwert eines Bauwerks bei der Durchführung von Baumaßnahmen nicht durch die Nebenkosten ausdrücken (BGH NJW 1988, 1835, 1837).

Zudem würde die Berücksichtigung von Nebenkosten wiederum zu einer Überkompensation des mangelbedingten Minderwerts führen. Indem Kosten ausgeglichen würden, die typischerweise nicht anfallen, weil der Mangel nicht beseitigt wird, würde der Bauherr mehr erlangen als einen Ausgleich für den dem Bauwerk anhaftenden Minderwert.

Dagegen kann der Kläger nicht einwenden, dass der Unternehmer bei der Nichtberücksichtigung der Nebenkosten unangemessen bevorzugt würde, weil er einen Teil der Mangelbeseitigungskosten spart, oder dass er sich die spätere Mangelbeseitigung oder einen späteren Verkauf des Gebäudes vorbehalten könne. Denn der Besteller kann in solchen Fällen statt der Minderung Schadenersatz in Höhe der Nettomangelbeseitigungskosten und die Feststellung, dass der Unternehmer auch die weiteren Kosten zu tragen hat, verlangen. Was einen möglichen späteren Verkauf angeht, so wird die Bedeutung des Mangels für die Entscheidung des Käufers mit der Zeit immer geringer, weil er von dem entstehenden Renovierungsbedarf überlagert wird. So muss z. B. in regelmäßigen Abständen ohnehin ein Gerüst aufgebaut werden, wenn ein Neuanstrich der Fassade notwendig wird.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, damit geklärt wird, inwieweit die Mangelbeseitigungskosten zur Bestimmung der Höhe der Minderung herangezogen werden können, und weil der Senat von den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte abweichen will.

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