Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Verkehrsunfall beim Abbiegen: Risiken, Regeln und rechtliche Folgen verstehen
- 3 Der Fall vor Gericht
- 4 Die Schlüsselerkenntnisse
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 5.1 Welche Vorfahrtsregeln gelten an nicht beschilderten Einmündungen?
- 5.2 Wie wird die Haftung bei Vorfahrtsverletzungen bemessen?
- 5.3 Welche Schadensersatzansprüche entstehen nach einer Vorfahrtsverletzung?
- 5.4 Welche Rolle spielt das Rechtsfahrgebot bei Vorfahrtsverletzungen?
- 5.5 Wann ist eine anwaltliche Vertretung nach einem Vorfahrtsunfall sinnvoll?
- 6 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 7 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 8 Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
- Datum: 13.12.2024
- Aktenzeichen: 3 U 23/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Versicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger ist der Fahrer eines Transporters VW T4, der in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde. Er fordert Schadenersatz für die Unfallkosten und Anwaltsgebühren.
- Beklagte: Der Zweitbeklagte ist der Fahrer eines Fahrzeugs, das bei der Erstbeklagten, einer Haftpflichtversicherung, versichert ist. Beide Beklagten werden als Gesamtschuldner für den Unfall haften gemacht.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger forderte Schadensersatz vom Zweitbeklagten und dessen Haftpflichtversicherung für einen Verkehrsunfall, der sich ereignete, als der Zweitbeklagte in eine Straße einbog und die Vorfahrt des Klägers missachtete. Der Kläger fuhr zum Zeitpunkt des Unfalls an einem parkenden Fahrzeug vorbei und nutzte die linke Fahrbahnhälfte.
- Kern des Rechtsstreits: Die Hauptfrage des Rechtsstreits war die Haftungsverteilung in Bezug auf den Unfall. Das Landgericht hatte zuvor eine Mithaftung des Klägers von 25% festgestellt, diese Entscheidung wurde jedoch angefochten.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Die Beklagten wurden verurteilt, die volle Schadenssumme einschließlich vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen zu zahlen.
- Begründung: Die Vorfahrtverletzung des Zweitbeklagten sei unstreitig. Dem Kläger könne kein unfallursächliches Fehlverhalten angelastet werden, insbesondere kein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot, da er ordnungsgemäß an einem Hindernis vorbeifuhr.
- Folgen: Die Beklagten als Gesamtschuldner tragen die gesamten Kosten des Unfalls. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen, womit die Entscheidung endgültig ist.
Verkehrsunfall beim Abbiegen: Risiken, Regeln und rechtliche Folgen verstehen
Verkehrsunfälle gehören leider zum Alltag auf unseren Straßen und stellen eine bedeutende Herausforderung für die Verkehrssicherheit dar. Besonders kritisch sind Situationen, in denen Verkehrsteilnehmer beim Rechtsabbiegen oder an Kreuzungen aufeinandertreffen. Die komplexen Vorfahrtsregelungen erfordern höchste Aufmerksamkeit und ein defensives Fahrverhalten.
Die Rechtslage bei Kollisionen ist oft komplex und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Entscheidend sind dabei das Rechtsfahrgebot, die Einhaltung von Verkehrsregeln und das gegenseitige Rücksichtnehmen. Unfallursachen wie unachtsames Abbiegen oder Missachtung der Vorfahrt können schnell zu erheblichen Unfallschäden und rechtlichen Konsequenzen führen.
In dem folgenden Fall geht es um eine typische Verkehrssituation, die die Herausforderungen des Straßenverkehrs exemplarisch verdeutlicht.
Der Fall vor Gericht
Vorfahrtsverletzung führt zu voller Haftung bei Unfall an Straßeneinmündung
Eine Vorfahrtsverletzung bei einem Verkehrsunfall hat das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem Berufungsurteil vom 13. Dezember 2024 behandelt. Der Unfallverursacher muss den gesamten Schaden in Höhe von 5.351,97 Euro tragen, da er die Vorfahrt des von rechts kommenden Verkehrs missachtet hatte.
Unfallhergang an nicht beschilderter Einmündung
Der Unfall ereignete sich am 10. Oktober 2022, als der Kläger mit seinem VW T4 Transporter an einem am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeug vorbeifuhr. In diesem Moment bog der Beklagte mit seinem Fahrzeug von links kommend in die Straße ein und kollidierte mit dem Transporter. Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt auf der linken Fahrbahnseite, da er gerade dabei war, an dem geparkten Fahrzeug vorbeizufahren.
Rechtliche Bewertung des Oberlandesgerichts
Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte gegen § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO verstoßen hatte, indem er die Vorfahrt des von rechts kommenden Klägers missachtete. Die Tatsache, dass der Kläger auf der linken Fahrbahnseite fuhr, hatte keinen Einfluss auf die Haftungsverteilung. Das Gericht betonte, dass der Kläger weder gegen das Rechtsfahrgebot noch gegen die Regeln des Vorbeifahrens verstoßen habe, da diese Vorschriften nicht dem Schutz des einbiegenden Verkehrs dienen. Das Befahren der linken Fahrbahnseite war durch das am rechten Fahrbahnrand parkende Fahrzeug gerechtfertigt.
Schadensersatz und Kostenübernahme
Das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung des vollen Schadens, der sich aus einem Wiederbeschaffungsaufwand von 4.450 Euro, Sachverständigenkosten von 876,41 Euro und einer Unkostenpauschale von 25,56 Euro zusammensetzt. Zusätzlich müssen die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 325,46 Euro übernommen werden. Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner zur Zahlung verpflichtet und müssen auch die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position von Unfallbeteiligten, die sich regelkonform verhalten haben. Das OLG Saarbrücken stellt klar, dass das kurzzeitige Befahren der Gegenfahrbahn zum Umfahren eines Hindernisses keine erhöhte Betriebsgefahr darstellt und damit auch keine Mithaftung begründet. Entscheidend ist, dass die Vorfahrtsregeln eingehalten wurden und das Ausweichmanöver verkehrsgerecht erfolgte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie in einen Unfall verwickelt werden, während Sie verkehrsgerecht einem Hindernis ausweichen, müssen Sie nicht befürchten, automatisch mithaften zu müssen. Dies gilt selbst dann, wenn Sie sich kurzzeitig auf der Gegenfahrbahn befinden. Voraussetzung ist, dass Sie die Vorfahrtsregeln beachten und das Ausweichmanöver ordnungsgemäß durchführen. Im Schadensfall können Sie Ihre Ansprüche in voller Höhe geltend machen, wenn der Unfallgegner durch Missachtung der Vorfahrt den Unfall verursacht hat. Lassen Sie sich nicht von der gegnerischen Versicherung mit dem Argument einer angeblich erhöhten Betriebsgefahr abspeisen.
Verkehrsunfall – Wer haftet?
Gerade bei Unfällen mit unklarer Schuldfrage ist es wichtig, seine Rechte zu kennen. Die gegnerische Versicherung wird oft versuchen, Ihnen eine Teilschuld zuzuschieben, um die eigenen Kosten zu minimieren. Achten Sie darauf, dass Ihre Interessen gewahrt bleiben und Sie den Ihnen zustehenden Schadenersatz erhalten. In solchen Situationen kann es sinnvoll sein, sich frühzeitig juristischen Rat einzuholen, um die Sachlage rechtssicher beurteilen zu lassen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Vorfahrtsregeln gelten an nicht beschilderten Einmündungen?
An nicht beschilderten Einmündungen gilt grundsätzlich die Rechts-vor-links-Regel nach § 8 Abs. 1 StVO. Das bedeutet, dass Verkehrsteilnehmer, die von rechts kommen, Vorfahrt haben – unabhängig davon, ob sie geradeaus fahren oder abbiegen möchten.
Wichtige Ausnahmen von der Rechts-vor-links-Regel
Die Rechts-vor-links-Regel gilt nicht in folgenden Situationen:
- Wenn Sie aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße einfahren
- Bei Einfahrten über einen abgesenkten Bordstein
- Beim Verlassen eines verkehrsberuhigten Bereichs
- Bei Einmündungen in einen Kreisverkehr mit Zeichen 215 und 205
Verhalten an der Einmündung
Wenn Sie an einer nicht beschilderten Einmündung wartepflichtig sind, müssen Sie durch Ihr Fahrverhalten deutlich zeigen, dass Sie die Vorfahrt beachten. Fahren Sie mit mäßiger Geschwindigkeit an die Einmündung heran.
Bei unübersichtlichen Einmündungen dürfen Sie sich vorsichtig in die Einmündung „hineintasten“, bis Sie ausreichende Sicht haben. Eine Weiterfahrt ist nur erlaubt, wenn Sie sicher erkennen können, dass vorfahrtsberechtigte Verkehrsteilnehmer weder gefährdet noch wesentlich behindert werden.
Besondere Verkehrssituationen
Bei stockendem Verkehr müssen Sie die Einmündung grundsätzlich freihalten, auch wenn Sie eigentlich Vorfahrt hätten. Dies ist besonders wichtig, damit Rettungsfahrzeuge im Notfall ungehindert passieren können.
Das Parken ist im Bereich von 5 Metern vor und hinter Einmündungen verboten. Befindet sich neben der Fahrbahn ein Radweg, gilt sogar ein Parkverbot von 8 Metern vor der Einmündung.
Wie wird die Haftung bei Vorfahrtsverletzungen bemessen?
Bei einer Vorfahrtsverletzung wird die Haftung nach dem Grad des Verschuldens und der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge bemessen. Der Wartepflichtige trägt in der Regel die Haupthaftung, da die Missachtung der Vorfahrt als schwerwiegender Verkehrsverstoß gilt.
Grundsätzliche Haftungsverteilung
Typische Haftungsquoten bei Vorfahrtsverletzungen sind 75:25 oder 2/3:1/3 zu Lasten des Wartepflichtigen. Selbst wenn Sie als Vorfahrtsberechtigter keinen Verkehrsverstoß begangen haben, müssen Sie aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr Ihres Fahrzeugs meist einen Anteil von etwa 20-25% mittragen.
Faktoren für die Haftungsbemessung
Die konkrete Haftungsverteilung hängt von mehreren Faktoren ab:
- Schwere des Vorfahrtsverstoßes: Ein besonders grober Verstoß, etwa das Überfahren eines Stoppschilds ohne anzuhalten, führt zu einer höheren Haftungsquote
- Erkennbarkeit der Verkehrssituation: War die Vorfahrtssituation für alle Beteiligten klar erkennbar
- Geschwindigkeit: Überhöhte Geschwindigkeit eines der Beteiligten kann dessen Haftungsanteil erhöhen
- Sichtverhältnisse: Bei schlechter Sicht kann auch der Vorfahrtsberechtigte zu erhöhter Vorsicht verpflichtet sein
- Reaktionszeit: Hatte der Vorfahrtsberechtigte die Möglichkeit, den Unfall durch rechtzeitiges Reagieren zu verhindern
Besondere Haftungskonstellationen
Eine vollständige Haftung des Wartepflichtigen (100%) kommt in Betracht, wenn dieser grob verkehrswidrig und rücksichtslos gehandelt hat. Umgekehrt kann die Haftung des Vorfahrtsberechtigten auf bis zu 50% steigen, wenn dieser mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist.
Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 30% über dem erlaubten Tempolimit wird in der Regel eine erhebliche Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten angenommen. Die Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs kann auch höher bewertet werden, wenn es sich um ein größeres oder schwereres Fahrzeug wie einen LKW handelt.
Strafrechtliche Aspekte
Neben der zivilrechtlichen Haftung drohen bei einer Vorfahrtsverletzung mit Unfallfolge auch strafrechtliche Konsequenzen. Bei einer fahrlässigen Körperverletzung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Bei grob verkehrswidrigem und rücksichtslosem Verhalten droht wegen Gefährdung des Straßenverkehrs eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren.
Welche Schadensersatzansprüche entstehen nach einer Vorfahrtsverletzung?
Nach einer Vorfahrtsverletzung können Sie verschiedene Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Ansprüche richten sich nach der Haftungsquote, die sich aus dem Grad des Verschuldens der Beteiligten ergibt.
Materielle Schäden am Fahrzeug
Bei einer Vorfahrtsverletzung können Sie folgende Fahrzeugschäden geltend machen:
- Reparaturkosten für die Beseitigung der Unfallschäden oder den Wiederbeschaffungswert bei einem Totalschaden
- Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Gutachtens bei Schäden über 750 Euro
- Wertminderung des reparierten Fahrzeugs
- Abschleppkosten und Standgebühren
- An- und Abmeldekosten bei einem Ersatzfahrzeug
Weitere erstattungsfähige Kosten
Neben den direkten Fahrzeugschäden haben Sie Anspruch auf:
Regulierungskosten:
- Anwaltskosten für die Unfallabwicklung
- Auslagenpauschale von durchschnittlich 25 Euro für Porto, Telefon und Fahrtkosten
- Gutachternebenkosten wie Fahrtkosten und Fotokosten
Personenschäden
Bei Verletzungen durch den Unfall können Sie zusätzlich fordern:
Heilbehandlungskosten für:
- Arztbehandlungen
- Medikamente
- Krankengymnastik
- Hilfsmittel
- Fahrtkosten zu Behandlungen
Weitere Ansprüche bei Personenschäden:
- Schmerzensgeld für erlittene Schmerzen und Beeinträchtigungen
- Verdienstausfall bei Arbeitsunfähigkeit
- Haushaltsführungsschaden bei eingeschränkter Haushaltsführung
Die konkrete Höhe der Ansprüche richtet sich nach der Haftungsquote. Bei einem groben Vorfahrtsverstoß kann der Verursacher bis zu 100% haften. Die Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs wird dabei meist mit 20-30% berücksichtigt.
Welche Rolle spielt das Rechtsfahrgebot bei Vorfahrtsverletzungen?
Das Rechtsfahrgebot hat bei Vorfahrtsverletzungen eine untergeordnete Bedeutung. Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot schützt nicht den wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer, der die Vorfahrt missachtet.
Schutzbereich des Rechtsfahrgebots
Das Rechtsfahrgebot dient ausschließlich dem Schutz des Längsverkehrs. Es soll eine gefahrlose Begegnung der Fahrzeuge ermöglichen und das Überholen gewährleisten. Der Querverkehr und einbiegende Fahrzeuge werden vom Schutzbereich des Rechtsfahrgebots nicht erfasst.
Vorfahrtsrecht gilt für die gesamte Straßenbreite
Wenn Sie die Vorfahrt gewähren müssen, gilt diese Pflicht für die gesamte Straßenbreite der bevorrechtigten Straße. Der Vorfahrtsberechtigte darf die gesamte Fahrbahnbreite nutzen und muss sich nicht zwingend ganz rechts halten. Ein erforderlicher Seitenabstand zu parkenden Fahrzeugen oder anderen Hindernissen darf durch Nutzung der linken Fahrbahnseite eingehalten werden.
Haftung bei Unfällen
Wenn Sie als Wartepflichtiger einen Unfall mit einem Vorfahrtsberechtigten verursachen, können Sie sich nicht darauf berufen, dass dieser nicht ganz rechts gefahren ist. Die Vorfahrtsverletzung wiegt in der Regel so schwer, dass ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot durch den Vorfahrtsberechtigten keine Mithaftung begründet. Dies gilt selbst dann, wenn der Vorfahrtsberechtigte teilweise die linke Fahrbahn mitbenutzt.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn Sie von einer untergeordneten Straße nach rechts auf eine Vorfahrtsstraße einbiegen und dabei mit einem von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Fahrzeug kollidieren, haften Sie in der Regel allein für den Unfall – auch wenn der Vorfahrtsberechtigte nicht ganz rechts gefahren ist.
Wann ist eine anwaltliche Vertretung nach einem Vorfahrtsunfall sinnvoll?
Bei einem Vorfahrtsunfall ist eine anwaltliche Vertretung in den meisten Fällen sinnvoll, da die Schuldfrage häufig komplexer ist als sie auf den ersten Blick erscheint.
Grundsätzliche Situation
Die Beauftragung eines rechtlichen Beistands ist besonders dann zweckmäßig, wenn die Vorfahrtsverletzung nicht eindeutig nachweisbar ist oder wenn Unklarheiten über den genauen Unfallhergang bestehen. Bei Vorfahrtsverletzungen gilt der Anscheinsbeweis, dass die Missachtung der Vorfahrt unfallursächlich war.
Kostenübernahme
Wenn Sie unverschuldet in einen Vorfahrtsunfall verwickelt wurden, übernimmt die gegnerische Haftpflichtversicherung die Kosten der rechtlichen Vertretung. Dies gilt auch dann, wenn die Versicherung bereits ihre Eintrittspflicht anerkannt hat.
Besondere Fallkonstellationen
Eine rechtliche Unterstützung ist besonders wichtig in folgenden Situationen:
- Bei Personenschäden oder gesundheitlichen Folgeschäden
- Wenn der Sachschaden über der Bagatellgrenze von 750 Euro liegt
- Bei Unklarheiten über die Schuldfrage oder möglicher Teilschuld
- Wenn die Versicherung Kürzungen bei der Schadensregulierung vornimmt
Zeitpunkt der Beauftragung
Eine frühzeitige Beauftragung ist vorteilhaft, da wichtige Beweise gesichert und Fristen gewahrt werden können. Die Rechtsprechung bestätigt, dass bei Verkehrsunfällen mit zwei beteiligten Fahrzeugen in der Regel kein einfach gelagerter Sachverhalt vorliegt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Vorfahrtsrecht
Das Vorfahrtsrecht regelt, welcher Verkehrsteilnehmer an Kreuzungen oder Einmündungen zuerst fahren darf. Bei unbeschilderten Einmündungen gilt „rechts vor links“ gemäß § 8 Abs. 1 StVO. Der von rechts kommende Verkehr hat dann grundsätzlich Vorrang. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob der Vorfahrtsberechtigte die rechte oder linke Fahrbahnseite nutzt, solange dies verkehrsbedingt erforderlich ist. Ein typischer Fall ist das Ausweichen für parkende Fahrzeuge.
Gesamtschuldner
Gesamtschuldner sind mehrere Personen, die gemeinsam für eine Schuld haften. Nach § 421 BGB kann der Gläubiger von jedem Gesamtschuldner die gesamte Leistung verlangen. Zahlt ein Gesamtschuldner den vollen Betrag, erlischt die Forderung auch gegenüber den anderen. Im Innenverhältnis können die Gesamtschuldner dann einen Ausgleich untereinander vornehmen. Bei Verkehrsunfällen haften beispielsweise Fahrer und Halter eines Fahrzeugs als Gesamtschuldner.
Wiederbeschaffungsaufwand
Der Wiederbeschaffungsaufwand bezeichnet die Kosten, die für die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall entstehen. Er umfasst den Wiederbeschaffungswert (Marktwert eines vergleichbaren Fahrzeugs) abzüglich des Restwerts des beschädigten Fahrzeugs. Gemäß § 249 BGB kann der Geschädigte diesen Betrag als Schadensersatz verlangen. Bei einem Totalschaden ist der Wiederbeschaffungsaufwand die übliche Berechnungsgrundlage für den Schadensersatz.
Vorgerichtliche Anwaltskosten
Dies sind Kosten für anwaltliche Tätigkeiten, die bereits vor einem Gerichtsverfahren entstehen, etwa für Beratung, Korrespondenz oder außergerichtliche Verhandlungen. Nach § 249 BGB gehören sie zum ersatzfähigen Schaden, wenn sie zur Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Höhe richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Bei Verkehrsunfällen umfasst dies typischerweise die Kosten für die erste Schadensmeldung und Verhandlungen mit der gegnerischen Versicherung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Dieser Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht werden. Er legt fest, dass der Fahrzeughalter grundsätzlich für Schäden verantwortlich ist, die im Straßenverkehr entstehen.
Der § 7 StVG ist relevant, da der Kläger vor Gericht die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch nimmt und die Haftung im Rahmen dieses Paragraphen geprüft wird. - § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Dieser Abschnitt behandelt die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen. Er definiert die Verantwortlichkeiten der Unfallbeteiligten und legt fest, in welchem Umfang jede Partei für den entstandenen Schaden haftet.
Im vorliegenden Fall wurde die Haftungsverteilung gemäß § 17 StVG diskutiert, wobei das Landgericht eine Verteilung von 75% zu 25% zugunsten der Beklagten feststellte. - § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Dieser Paragraph betrifft die Informationen, die Versicherer ihren Kunden zur Verfügung stellen müssen. Insbesondere geht es um die Pflichten der Versicherung bei der Aufklärung und Bereitstellung relevanter Vertragsbedingungen.
Die Erwähnung von § 115 VVG im Urteil weist darauf hin, dass die Versicherungsbedingungen der Erstbeklagten bei der Haftungsentscheidung eine Rolle gespielt haben. - § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Dieser Paragraph regelt die Verjährung von Ansprüchen im Zivilrecht. Er legt fest, nach welcher Frist Ansprüche durchgesetzt werden müssen, um rechtlich verbindlich zu sein.
Der Kläger beruft sich im Mahnverfahren auf einen unstreitigen Schaden, dessen Berücksichtigung gemäß § 286 ZPO für die Klageentscheidung relevant ist. - § 540 Zivilprozessordnung (ZPO): Dieser Paragraph ermöglicht es dem Gericht, ergänzende Feststellungen zu den Tatsachen zu treffen, die zur Entscheidung des Rechtsstreits notwendig sind.
Im Urteil wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen, was die Grundlage für die Haftungsentscheidung bildet.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 3 U 23/24 – Urteil vom 13.12.2024
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