OLG Celle – Az.: 14 U 127/14 – Beschluss vom 03.09.2014
I. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 21.682,47 festgesetzt.
II. Es wird erwogen, die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Juni 2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg:
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts veranlasst.
Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
1. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Gesamtbetrachtung aller hier relevanten Umstände nicht die Überzeugung rechtfertigt, es habe sich um einen ungewollten Verkehrsunfall und nicht um ein einverständliches Schädigungsgeschehen gehandelt.
Anders als die Klägerin in der Berufungsbegründung annimmt, gibt es keinesfalls lediglich 3 typische Indiztatsachen für eine Unfallmanipulation. Hinzu kommen weitere, nämlich ein relativ ungefährlicher Unfallhergang, eine wenig plausible Hergangschilderung durch den Verursacher, zahlreiche insbesondere hinsichtlich der Beseitigungskosten nicht klar benannte Vorschäden, Veräußerung des Fahrzeugs wenige Tage nach dem Unfall und auffälliger Wechsel des Sachverständigenbüros.
Insgesamt kommt es auch nicht auf die konkrete Anzahl der Indiztatsachen an. Vielmehr lässt sich das Geschehen bei der Gesamtbeurteilung aus der Sicht des Senats nur als einvernehmliche Schädigung bewerten.
2. Zutreffend weist die Klägerin in der Berufungsbegründung zwar darauf hin, dass sich der Beklagte zu 1 durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten lässt und konkrete Einwendungen zur Schadenshöhe erhebt. Selbst wenn dies im Allgemeinen gegen eine einvernehmliche Schadensherbeiführung spricht, ergibt sich dieser Schluss hier jedoch weiterhin aus der Gesamtschau.
a) Weil bestimmte Tatsachen bekanntermaßen in der Rechtsprechung als Indizien für eine Unfallmanipulation bewertet werden, ist es naheliegend, dass im Hinblick auf dieses Wissen bei Unfallmanipulationen versucht wird, diese allgemein bekannten Umstände nach Möglichkeit zu vermeiden, was immer bei einzelnen Indiztatsachen möglich ist. Wenn demzufolge einige für Unfallmanipulationen typische Umstände fehlen, steht dies gleichwohl der Annahme eines einvernehmlichen Schadensereignisses nicht entgegen. Im Übrigen muss immer beachtet werden, dass jeder Schadensfall individuell abläuft und daher zwangsläufig nicht alle typischen Indiztatsachen vorhanden sein können.
b) Hier kommt hinzu, dass der Beklagte zu 1 nicht Versicherungsnehmer ist und sogar im Rahmen der Anmietung des Fahrzeuges seine Selbstbeteiligung bei Beschädigungen vollständig ausgeschlossen hat. Primär dürfte der Ausgang des Rechtsstreits wirtschaftlich für ihn somit gänzlich unerheblich sein, weil noch nicht einmal eine Höherstufung bzw. Kündigung des Versicherungsvertrages ihm gegenüber in Betracht käme. Insoweit erschiene seine aktive Beteiligung in diesem Rechtsstreit sinnlos und kann darauf hindeuten, dass hier bewusst eine typische Indiztatsache vermieden werden soll.
c) Andererseits käme als Anlass für die aktive Beteiligung des Beklagten zu 1 am Rechtsstreit auch in Betracht, dass ihm gegenüber seitens der Versicherung eventuell Regress infolge grob fahrlässigen Handels genommen werden könnte. Da Derartiges möglicherweise im Rahmen einer Unfallabsprache nicht bedacht worden sein könnte, könnte eine derartige nachträgliche Erkenntnis Anlass dafür sein, dass der Beklagte zu 1 nunmehr aktiv eine „Schadensreduzierung“ erstrebt.
d) Aus beiden Konstellationen lässt sich nichts ableiten, das gegen eine einvernehmliche Schadensherbeiführung sprechen würde.
3. Dass nach dem Verkehrsunfall die Polizei angerufen worden sei; wie dies die Klägerin behauptet, diese aus Kapazitätsgründen im Hinblick darauf, dass kein Personenschaden eingetreten sei, tatsächlich keine Verkehrsunfallaufnahme vorgenommen habe, steht Zweifeln daran, dass es sich um ein ungewolltes Schadensereignis gehandelt habe, nicht entgegen.
a) Bekanntermaßen wird die Nichthinzuziehung der Polizei als Indiz für eine Unfallmanipulation bewertet. Bereits deshalb ist es nicht fernliegend, dass auch bei Unfallmanipulationen versucht wird, dieses Indiz zu vermeiden, so dass gerade bewusst die Polizei gerufen wird. Da die Polizei stets erst nach der Kollision informiert wird und bei der Unfallaufnahme entscheidend auf die Angaben der Unfallbeteiligten angewiesen ist, lässt sich auch bei Hinzuziehung der Polizei ein einvernehmliches Schadensereignis leicht kaschieren. Da somit die Hinzuziehung der Polizei einem Erfolg der Unfallmanipulation nicht gravierend im Wege steht, ist es naheliegend, dass sogar bewusst versucht wird, eine polizeiliche Verkehrsunfallaufnahme zu erlangen, um im Rahmen einer Auseinandersetzung mit der Haftpflichtversicherung sich eine derartige Indiztatsache nicht entgegenhalten lassen zu müssen.
b) Im Übrigen ist es allgemein bekannt, dass die Polizei in Großstädten wie Hannover häufig aus Kapazitätsgründen außer Stande ist, bei Verkehrsunfällen ohne Personenschaden eine Unfallanzeige aufzunehmen. Bei in Hannover ansässigen Personen wie den hier am Schadensereignis Beteiligten ist es daher naheliegend, dass sie um diesen Umstand wissen, sodass sie aus ihrer Sicht bei einer Unfallinszenierung im Stadtgebiet von Hannover trotz eines Anrufes bei der Polizei nicht mit einer realen Inaugenscheinnahme und Unfallaufnahme durch Polizeibeamte rechnen mussten.
4. Auch soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf abstellt, dass der von ihr dargestellte Verkehrsunfall für den Beklagten zu 1 als Fahrer ein erhebliches Gefährdungspotential geboten habe, rechtfertigt dies keine abweichende Entscheidung.
Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob bei der hier stattgefundenen Kollision ein erhebliches Verletzungsrisiko für den Beklagten bestanden hat, weil dies typischerweise bei Unfallmanipulationen gegeben ist, da diese in der Regel dadurch herbeigeführt werden, dass zumindest ein Fahrzeug durch eine Person geführt und gegen ein anderes Fahrzeug gesteuert wird, was immer ein Verletzungsrisiko für diesen Fahrzeugführer beinhaltet. Entscheidend ist jedoch, dass vorliegend eine Konstellation gegeben ist, bei der das Verletzungsrisiko durch konkrete Umstände erheblich minimiert und damit auf das zur Zielerreichung eines Totalschadens nahezu unumgängliches Maß reduziert worden ist. Es wäre notwendig gewesen, einen Totalschaden zu erreichen, denn nur bei einem Totalschaden konnte die Klägerin eine Zahlung in Höhe des Wiederbeschaffungswertes erreichen und sich damit wirtschaftlich dem Fahrzeug entledigen, das sie nicht mehr benötigte, da sie bereits vor dem Unfall einen andere PKW erworben hatte. Hier ist auf ein stehendes Fahrzeug aufgefahren worden, was dazu geführt hat, dass lediglich das Verletzungsrisiko für einen Fahrzeugführer und nicht für zwei Fahrzeugführer eingegangen werden musste. Hinzu kommt, dass das vom Beklagten zu 1 angemietete Fahrzeug jedenfalls über eine ausreichende Knautschzone und stabile Karosserie verfügt hat, die der Minimierung des Risikos von Eigenschäden dienen konnte. Außerdem ist der gravierende Schaden am Fahrzeug der Klägerin dadurch entstanden, dass es infolge des Anstoßes durch den vom Beklagten zu 1 geführten LKW nicht nur im Heckbereich beschädigt worden ist, sodann auch nach vorne geschoben und dadurch auch im Frontbereich Beschädigungen erlitten hat. Durch diese Konstellation wurden große Beschädigungen allein durch einen Anstoß hervorgerufen, was den Eintritt eines Totalschadens bewirkt hat. Auch dies stellt eine Minimierung des Risikos der Eigenschädigung dar, weil der Beklagte zu 1 als Fahrzeugführer jedenfalls durch den Anstoß des Fahrzeugs der Klägerin im Frontbereich naheliegend keinem Verletzungsrisiko ausgesetzt sein konnte.
5. Zu Recht hat das Landgericht die Hergangschilderung als Indiz für eine Unfallmanipulation gewertet. Zwar ist es möglich, dass ein Fahrzeugführer bei einem Blick in den Fußraum der Beifahrerseite das Lenkrad leicht nach rechts verzieht und dadurch gegen ein parkendes Fahrzeug stößt. Indes ist ein solches Verhalten, wenn es ungewollt wäre, außergewöhnlich. Von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer ist generell zu erwarten, dass er das von ihm geführte Fahrzeug konzentriert führt und sich nicht vom eigentlichen Fahrvorgang ablenken lässt (vgl. u. a. BGH, NJW 1992, S. 2418). Insoweit ist es ungewöhnlich, dass ein Fahrzeugführer sich ungewollt in derartiger Weise beim Führen des Fahrzeuges ablenken lässt. Eine plausible Erklärung kann es aber sein, dass es keine Ablenkung, sondern eine bewusste Schädigung, gegeben hat.
6. Der Annahme eines einvernehmlichen Schadensereignisses steht es auch, anders als die Klägerin meint, nicht entgegen, dass die Kollision in der tatsächlich stattgefundenen Form dann nicht durchführbar gewesen wäre, wenn die Ampel vorher auf Rot gestanden hätte. In einem derartigen Fall hätte der Beklagte zu 1 zunächst am PKW der Klägerin vorbeifahren und bei einer erneuten Anfahrt der Örtlichkeit einen weiteren Kollisionsversuch starten können.
In gleicher Weise kann es, anders als die Klägerin in der Berufungsbegründung annimmt, mehrere „Anläufe“ gegeben haben, um einen für eine abgesprochene Kollision geeigneten Parkplatz zu finden.
7. Auch dass sich das Schadensereignis an einem belebten Ort nahe eines großen Einkaufszentrums ereignet hat, steht der Annahme einer Unfallmanipulation entgegen der Meinung der Klägerin nicht entgegen. Weil eine Kollision an einem unbelebten Ort, bei dem nicht mit unbeteiligten Zeugen gerechnet werden musste, in langjähriger ständiger Rechtsprechung als Indiz für eine Unfallmanipulation gewertet wird, ist es naheliegend, dass bewusst versucht wird, derart typische Indizien zu vermeiden. Auch bei einer einvernehmlichen Schadenshandlung kann das Fahrzeug gewollt in der später gegenüber der Versicherung dargestellten Form geführt werden, wobei außenstehende Zeugen nur in der Lage sein werden, das tatsächliche Geschehen zu beschreiben, ohne dass sie Erkenntnisse dazu haben können, ob dieses Fahrverhalten gewollt oder ungewollt war.
8. Auch das Vorbringen der Klägerin zur Gebrauchtwagengarantie steht der. Annahme einer Unfallmanipulation nicht entgegen. Dass jedwede Fahrzeugschäden kostenlos im Rahmen dieser Garantie behoben worden wären, erscheint fernliegend und ist auch nicht mit Tatsachenvortrag belegt. Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an, da es plausibler Anlass für eine Unfallmanipulation auch sein kann, eine Möglichkeit zu finden, sich eines Fahrzeuges zu entledigen, welches nur mit Verlust auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu veräußern gewesen wäre. Bei ihren theoretischen Erwägungen zu einem bei der Veräußerung des unbeschädigten Fahrzeugs erzielbaren Preis in der Berufungsbegründung (S. 5) lässt die Klägerin außer Betracht, dass sie selbst Schwierigkeiten bei der realen Veräußerung des PKW auf dem Gebrauchtmarkt haben konnte.
Die Klägerin, die im Unfallzeitpunkt 25 Jahre alt gewesen ist, erklärt, noch vor dem Unfall einen BMW 730d zum Preis von € 34.200 erworben zu haben. Dies spricht Indizien dafür, dass eine Veräußerung des Unfallfahrzeugs beabsichtigt war.
Auch die seitens der Klägerin behauptete Felgenlackierung und Vollfolierung am 20. März 2013 steht der Annahme einer Unfallmanipulation nicht entgegen. Selbst wenn diese durchgeführt worden wäre, könnte später die Entscheidung getroffen worden sein, etwa nachdem eine Schwierigkeit bei einer Veräußerung aufgetreten war, sich des Fahrzeugs zu entledigen.
9. Insgesamt ist für den Senat bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Vorgang nicht anders erklärlich, als dass die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann und dem Beklagten zu 1 den Unfall fingiert hat. Für ein einvernehmliches Vorgehen spricht es auch, dass die Klägerin selbst nach dem Schadensereignis in dem von ihr Unterzeichneten Fragebogen zu den Vorschäden nicht darauf hingewiesen hat, dass deren Beseitigung insgesamt Aufwendungen in Höhe von über € 16.000 erfordert hat (Bl. 128 d.A.). Außerdem hat sie versucht, unberechtigt eine Nutzungsausfallentschädigung durch die Versicherung zu erlangen, indem sie verschwiegen hat, dass sie schon vor dem Unfall einen anderen PKW gekauft hatte, den sie einen Tag nach dem Unfall zum Straßenverkehr zugelassen hat.
10. Unabhängig von den gravierenden Anhaltspunkten für einen manipulierten Unfall dürfte ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aber auch aus weiteren Gründen nicht begründet sein.
a) Hinsichtlich der ihr entstandenen Kosten für das Sachverständigengutachten dürfte ein Erstattungsanspruch auch deshalb ausscheiden, weil das Gutachten – verschuldet durch die Klägerin – für das Verfahren wertlos ist. Die Klägerin hat dem Gutachter die Vorschäden verschwiegen, weil diese nicht darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass insgesamt Beseitigungskosten von über € 16.000 notwendig waren.
b) Auch hinsichtlich des PKW-Schadens dürfte unabhängig von der Frage einer Unfallmanipulation ein Schadensersatzanspruch ausscheiden. Die Klägerin räumt ein, dass das Fahrzeug Vorschäden aufgewiesen hat. Der Sachverständige D hat diese zwar äußerlich nicht wahrgenommen, damit steht jedoch nicht fest, dass diese tatsächlich sach- und fachgerecht in vollem Umfang vor dem Schadensereignis beseitigt worden waren. Damit kann der Wiederbeschaffungswert jedoch nicht festgestellt werden und auch nicht, in welchem Umfang der PKW durch das hier dargestellte Ereignis tatsächlich Schäden erlitten hat.
11. Die Klägerin sollte vor diesem Hintergrund prüfen, ob das Berufungsverfahren weiter durchgeführt werden soll. Lediglich vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle einer Rücknahme des Rechtsmittels die anfallenden Gerichtskosten deutlich ermäßigen würden.