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Verkehrsunfall – Haftung bei Kollision beim Einfahren in Fahrbahn

OLG Celle – Az.: 14 U 50/17 – Urteil vom 19.12.2017

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 22. Februar 2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.427,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben; die Kosten der Berufung werden zu 75 % den Beklagten als Gesamtschuldnern und zu 25 % dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Tatbestandes bzw. der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 3.427,88 € gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG, 1 PflVG als Gesamtschuldner.

Die Beklagte zu 1 ist Halterin des Opel Zafira, bei dessen Betrieb der BMW des Klägers beschädigt wurde. Höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG lag nicht vor, weil kein von außen kommendes Ereignis zur Entstehung des Unfalls führte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war der Unfall weder für den Kläger noch für die Beklagte zu 1 unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus (König in Henschel/König/ Dauer, StVR, 43. Aufl., § 17 StVG, Rn. 22). Wer sich nach § 17 Abs. 3 StVG entlasten will, muss die Unabwendbarkeit beweisen (König a. a. O., § 17 StVG, Rn. 23). Der Kläger hatte nach den Feststellungen des Sachverständigen (S. 12 des Gutachtens) hinreichend Zeit, um sein Fahrzeug vor der Kollision zum Stehen zu bringen oder auszuweichen. Die Beklagte zu 1. wiederum hätte den Einfahrvorgang in die U. Straße unterlassen können und müssen.

Nach § 17 Abs. 1 StVG hängt die Verpflichtung der Parteien maßgeblich davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach Abwägung der Verkehrsverstöße und damit der Verursachungsbeiträge ist eine hälftige Haftung der Parteien gerechtfertigt.

Zutreffend hat das Landgericht der Beklagten zu 1 einen Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO zur Last gelegt. Danach traf die Beklagte zu 1 die Pflicht, beim Einfahren in die Fahrbahn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Diesen Sorgfaltsanforderungen genügte die Beklagte zu 1 nicht, weil sie quer auf der Straße stand, nachdem sie in die U. Straße hineingefahren war und damit ein Hindernis darstellte, obwohl sich aus ihrer Sicht von links der Kläger näherte.

Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht jedoch auch einen Sorgfaltsverstoß des Klägers nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 StVO festgestellt. Er war zwar gegenüber der Beklagten zu 1 auf seiner Fahrbahn bevorrechtigt. Nach den von beiden Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen M. hätte der Kläger jedoch die Kollisionsgefahr mit dem Beklagtenfahrzeug frühzeitig erkennen können und Gelegenheit gehabt, auf die teilweise Blockierung der von ihm befahrenen Fahrspur zu reagieren, indem er entweder seinen Pkw abbremste oder eine leichte Ausweichbewegung nach rechts unternahm. Einen Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot können die Beklagten nicht beweisen – die Lage des Kollisionsortes ist unbekannt und nicht aufklärbar (S. 9 des Gutachtens).

Im Gegensatz zum Landgericht gewichtet der Senat die beiden Verschuldensanteile der Parteien indes gleich hoch. Zwar war der Kläger vorfahrtsberechtigt und die Beklagte zu 1 hatte eine hohe Sorgfaltspflicht zu beachten. Gleichwohl hat der Kläger im vorliegenden Fall eine besondere Unaufmerksamkeit an den Tag gelegt. Bei gehöriger Beobachtung des Straßenverkehrs wäre ihm nicht entgangen, dass die Beklagte zu 1 mit ihrem Fahrzeug nicht vollständig auf die Gegenfahrbahn gelangte, sondern zum Stillstand kam und dabei zu einem nicht unerheblichen Teil mit ihrem Fahrzeugheck in seine Fahrspur hineinragte. Um der Kollision mit dem Fahrzeug der Beklagten zu entgehen, hätte es lediglich einer relativ geringfügigen Ausweichbewegung oder einer Bremsung bedurft.

Eine Alleinhaftung des Klägers kommt angesichts dessen nicht in Betracht, auch keine überwiegende Haftung seinerseits, zumal die Beklagten nicht beweisen konnten, dass die Beklagte zu 1 bereits längere Zeit mit ihrem Fahrzeug zum Stillstand gekommen war.

Unstreitig beliefen sich die Reparaturkosten auf 5.976,58 € netto; für die Vergütung des Sachverständigen fielen 854,18 € an. Unter Berücksichtigung der Kostenpauschale von 25,00 € sind damit die vom Kläger geforderten 6.855,76 € zu berücksichtigen, von denen allerdings nur 50 % und damit 3.427,88 € zu erstatten sind.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

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