LG Köln – Az.: 19 U 8/12 – Beschluss vom 16.04.2011
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 14.12.2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 11 O 191/11 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
Das Landgericht hat zu Recht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint und die auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld abgewiesen.
Zutreffend hat das Landgericht die Vorkehrungen, die derjenige treffen muss, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft, dahingehend bestimmt, dass diese sich nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren richten und geeignet sein müssen, solche Gefahren von Dritten abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH, NJW 2006, 2326; NJW 2010, 1967, Palandt-Sprau, 71. Aufl. 2012, § 823 Rz. 51). Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Verkehrssicherungspflicht dadurch, dass der Aufzug am Unfalltag unterhalb des regulären Bodenniveaus (und in welchem Ausmaß) anhielt, objektiv verletzt wurde. Denn es liegt jedenfalls keine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten vor. Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht wird regelmäßig durch technische Regelwerke und Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert (BGH MDR 1979, 45, BGH NJW 2004, 1449), die auch außerhalb des unmittelbaren Geltungsbereichs als Maßstab für verkehrsgerechtes Verhaltens dienen. Wurde die Anlage in regelmäßigen Abständen überprüft und gewartet, liegt eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eher fern (OLG München, Beschluss vom 25.08.11, Rz. 5 zitiert nach juris m.w.N.). Richtigerweise hat das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass die fragliche Aufzuganlage zuletzt weniger als drei Monate vor dem Unfalltag vom TÜV abgenommen wurde und sicherheitsrelevante Mängel nicht festgestellt wurden. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Beklagte durch Vorlage der entsprechenden Berichte dargelegt hat, dass die Aufzuganlage in Intervallen von zwei bis drei Monaten von der Herstellerfirma T gewartet wurde. Zwar mag es angesichts der Vielzahl denkbarer Fehlfunktionen des Aufzugs und der sich daraus ergebenden Gefahren für Besucher, Personal und Patienten darüber hinaus erforderlich sein, dass die Mitarbeiter der Beklagten die Aufzüge in engeren Abständen überprüfen. Dazu hat die Beklagte auch unter Beweisantritt vorgetragen, dass ihre technischen Mitarbeiter geschult und angewiesen sind, technische Mängel, die ihnen auf ihren ständigen Wegen durch das Krankenhaus auffallen, sofort weiterzumelden, damit sie entweder durch eigene Handwerker oder durch Fremdfirmen behoben werden können. Das Landgericht hat diese Anweisung ausweislich des Tatbestandes als unstreitig angesehen. Tatbestandsberichtigung hat die Klägerin nicht beantragt. Selbst wenn man die Anweisung als streitig betrachtete, musste das Landgericht dem Beweisantritt durch die Beklagte nicht nachgehen, da an dem Aufzug, an dem die Klägerin zu Fall gekommen sein will, am 07.05.2010 (somit am Vortrag des Unfallereignisses) von der Herstellerfirma Reparaturarbeiten ausgeführt und danach eine Probefahrt durchgeführt wurde. Insofern stellt es kein Versäumnis der Beklagten dar, wenn ihr ein daraufhin neu aufgetretener Defekt bis zum Unfall der Klägerin verborgen geblieben sein sollte. Denn eine engmaschigere Kontrolle als einmal täglich kann von ihr jedenfalls nicht verlangt werden und würde auf eine Gefährdungshaftung hinauslaufen. Dafür, dass der Aufzug am Unfalltag vor dem Sturz der Klägerin trotz eines offen zu Tage tretenden Niveauunterschieds zwischen Aufzugsebene und Etagenboden von der Beklagten weiterbetrieben wurde, liegen keine Anhaltspunkte vor. Für einen spontan aufgetretenen Defekt spricht vielmehr, dass die Klägerin den Aufzug im Erdgeschoss offenbar ohne merkbaren Niveauunterschied betreten hat und weitere Auffälligkeiten an diesem Tag nicht gemeldet wurden. Sollte es länger davor oder nach dem Unfallereignis zu Kontrollmängeln bei der Beklagten gekommen sein, so sind diese jedenfalls für den Unfall der Klägerin nicht kausal geworden.
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Firma, die die Reparaturen durchgeführt hat, nicht ausreichend qualifiziert ist oder die Beklagte aus anderen Gründen Anlass hatte, die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten durch diese Firma anzuzweifeln. Insbesondere ergibt sich aus der Reparaturdokumentation der Beklagten nicht, dass zuvor Mängel an den Positionsgebern aufgetreten sind; jedenfalls dienten die Reparaturarbeiten vom 07.05.2010 der Beseitigung anderer Fehlfunktionen und auch aus der Reparaturhäufigkeit lässt sich angesichts der Vielzahl der möglicherweise betroffenen elektronischen oder mechanischen Komponenten des Aufzugs nicht folgern, dass die von der Beklagten eingeschaltete Fachfirma nicht zuverlässig arbeitet und nicht in der Lage ist, auftretende Störungen sachgerecht zu beseitigen.
Soweit die Klägerin mit der Berufung die Tatsache, dass der Aufzug noch am 07.05.2010 repariert und Probe gefahren wurde bestreitet, ist sie damit nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn die Klägerin hatte erstinstanzlich nur bestritten, dass die Mitarbeiter der Beklagten angewiesen sind, technische Mängel sofort weiter zu melden. Dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 08.08.2011 zu den Wartungs- und Reparaturmaßnahmen im fraglichen Zeitraum ist die Klägerin erstinstanzlich nicht entgegen getreten. Das vorherige Bestreiten der Klägerin bezieht sich auf einen anderen Umstand und wäre angesichts des detaillierten Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 08.08.2011 auch unsubstantiiert und damit unerheblich gewesen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der ihm gesetzten Frist. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zwecke der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren wird hingewiesen.