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Ungerechtfertigtes Alarmieren der Polizei – Gebühren

VG Lüneburg, Az.: 5 B 140/16, Beschluss vom 22.12.2016

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az. 5 A 212/16), mit der er sich gegen die Heranziehung zu Kosten wegen ungerechtfertigten Alarmierens der Polizei wendet.

Der Antragsteller, der in der B. straße in C. wohnt, teilte der Polizeistation C. am 2. Februar 2016 gegen 14:25 Uhr telefonisch mit, dass in der B. straße auf Höhe der Einmündung der D. straße ein Lkw verkehrsbehindernd parke. Ausweislich eines Berichts des POK E. vom 12. Februar 2016 habe der Antragsteller lautstark am Telefon gefordert, dass ein Streifenwagen umgehend – innerhalb von 15 Minuten – vor Ort zu erscheinen habe, da er ansonsten eine Dienstaufsichtsbeschwerde schicken werde.

Ungerechtfertigtes Alarmieren der Polizei - Gebühren
Symbolfoto: huettenhoelscher / Bigstock

Zwei Polizisten suchten daraufhin die Örtlichkeit auf und stellten fest, dass gegenüber der Einmündung der D. straße ein weißer Transporter mit dem Kennzeichen F. parkte. Personen seien nicht vor Ort gewesen. Ausweislich des o.g. Berichts befindet sich an dieser Stelle keine Beschilderung, die ein Halten oder Parken untersagt. Ein Gehweg sei in diesem Bereich nicht vorhanden. Ein gefahrloses Vorbeifahren an dem Transporter sei ohne weiteres in beide Richtungen möglich gewesen. Aus diesem Grund seien vor Ort keine Maßnahmen für erforderlich gehalten worden.

Mit Fax vom 2. Februar 2016, 14:54 Uhr, teilte der Antragsteller der Polizeistation C. erneut mit, dass in der B. straße ein Lkw „gefährdend und gravierend im Kreuzungsbereich behindernd“ stehe und den laufenden Straßenverkehr sowie Kinder und Schulkinder gefährde und zu massiven Behinderungen führe.

Mit Schreiben vom 14. April 2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer möglichen Kostenerstattung wegen ungerechtfertigten Alarmierens der Polizei an. Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 25. April 2016 hierzu Stellung.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2016 zog die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Kosten in Höhe von 71,50 EUR für das ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Person heran. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Parkposition des Transporters weder eine Ordnungswidrigkeit noch eine sonstige Gefährdungslage dargestellt habe und der Abstand des Fahrzeugs von der Einmündung sowie die verbleibende Fahrbahnbreite von über 3 m ausreichend Platz für den Fahrzeugverkehr geboten habe. Dies sei auch für einen Laien erkennbar gewesen.

Hiergegen hat der Antragsteller am 15. August 2016 Klage erhoben und am 23. September 2016 den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gestellt.

II.

1. Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist zulässig (geworden), nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, so dass die Voraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt ist. Zwar hat die Antragsgegnerin hieraufhin mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 mitgeteilt, dass die Vollstreckung bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzt werde. Durch Schriftsatz vom 24. November 2016 hat sie jedoch klargestellt, dass dies nur während des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gelte, eine darüber hinausgehende Aussetzung der Vollstreckung nicht gewährt worden sei.

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage, wenn – wie vorliegend – öffentliche Abgaben und Kosten festgesetzt werden.Eine Aussetzung der Vollziehung soll in derartigen Fällen gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres ist hier angesichts der Höhe des geforderten Betrages von 71,50 EUR nicht ersichtlich und wird im Übrigen vom Antragsteller selbst nicht behauptet. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides vom 12. Juli 2016. Es sprechen bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung gewichtige Gründe dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Recht zu der streitigen Gebühr herangezogen hat.

Nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 1 Satz 1 des Nds. Verwaltungskostengesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung – AllGO -) vom 05.06.1997 (Nds. GVBl. S. 171) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 04.12.2012 (Nds. GVBl. S. 367) sind – nach Maßgabe dieser Gebührenordnung – für Amtshandlungen der Landesverwaltung Kosten (Gebühren und Auslagen) von demjenigen Beteiligten zu erheben, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Eine in diesem Sinne gebührenpflichtige Amtshandlung stellt dabei u.a. das ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Person dar (Nr. 108.1.3.1 des Kostentarifs zur AllGO), wobei für das „ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Person“ bei einem Einsatz von zwei Bediensteten mit einem Kraftfahrzeug – wie hier – Mindestkosten in der geltend gemachten Höhe von 71, 50 EUR erhoben werden. In der Anmerkung zu Nr. 108.1.3, Ziffer a), wird näher erläutert, dass in den Fällen der Nr. 108.1.3.1 eine Alarmierung ungerechtfertigt ist, wenn „die für die Alarmierung verantwortliche Person hätte erkennen können, dass keine Gründe für ein polizeiliches Einschreiten vorlagen“. Objektiv darf also kein Grund für ein polizeiliches Einschreiten vorgelegen haben und dies muss subjektiv für den Betroffenen erkennbar gewesen sein, d. h. ihn muss an der ungerechtfertigten Alarmierung ein Verschulden treffen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.11.2012 – 11 PA 299/12 -, juris, Rn. 2). Im Interesse einer rechtzeitigen Benachrichtigung der Polizei durch die Bevölkerung soll also ein Informant wegen einer für ihn nicht zu erkennenden Fehlinformation nicht das Kostenrisiko tragen (vgl. Sailer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. N Rn. 106). Nach dem Sinn und Zweck der Regelung bezieht sich der Schutz des Informanten nur auf die Richtigkeit des von ihm mitgeteilten Sachverhaltes und der daraus abzuleitenden Gefahr; kann er hingegen erkennen, dass der von ihm mitgeteilte Sachverhalt nicht zutrifft, so handelt er schuldhaft und trägt das Kostenrisiko. Dies gilt auch, wenn er eine tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungslage deutlich schwerwiegender als tatsächlich wahrgenommen schildert. Denn die Polizei soll auch vor solchen überzogenen Schilderungen geschützt werden, die nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen (§ 5 Nds. SOG) ggf. ein Einschreiten gar nicht, nicht sofort oder nicht mit der gleichen Personal- oder Sachstärke erfordern als bei Angabe des tatsächlichen Geschehens (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.11.2012 – 11 PA 299/12 -, juris, Rn. 2; Saarl. OVG, Beschl. v. 29.11.1990 – 1 W 144/90 -, juris, Rn. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Objektiv hat kein Grund für ein polizeiliches Einschreiten vorgelegen, denn der Transporter hat weder verkehrswidrig noch gefährdend geparkt. In dem Bereich, in dem das Fahrzeug geparkt wurde, lag weder ein Halteverbot nach § 12 Abs. 1 StVO noch ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 StVO vor. Es handelt sich nicht um eine enge oder unübersichtliche Straßenstelle nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO. Ausweislich der vorgelegten Fotos ist die Straße an der betreffenden Stelle breit genug, dass zwei Autos aneinander vorbeifahren können. Der trotz des parkenden Fahrzeugs verbleibende Straßenraum belässt selbst großen Autos, Lkw oder landwirtschaftlichen Fahrzeugen genügend Platz, um die Stelle gefahrlos zu passieren. Das Fahrzeug parkte auch nicht verbotswidrig i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Danach ist das Parken unzulässig vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen je 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten. Durch diese Regelung sollen das Ab- und Einbiegen erleichtert und Verkehrs- und Sichtbehinderungen vermieden werden, weshalb es nicht auch das Parken gegenüber von Straßeneinmündungen verbietet, sondern lediglich auf der Seite, an der eine Straße einmündet (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 12 StVO Rn. 42 m.w.N.). Vorliegend hat es sich aber nicht um eine Kreuzung gehandelt, sondern um eine Einmündung, weshalb das Parken des Transporters auf der gegenüberliegenden Straßenseite rechtmäßig gewesen ist.

Es ist auch subjektiv für den Antragsteller zu erkennen gewesen, dass – zumindest – die von ihm aus dem mitgeteilten Sachverhalt abgeleitete Gefahr nicht zutreffend gewesen ist. Dabei kann offen bleiben, ob ein Laie erkennen musste, dass das Fahrzeug an der betreffenden Stelle parken durfte. Denn jedenfalls hat der Antragsteller bei der Darstellung der sich aus dem vermeintlich falsch parkenden Transporter ergebenden Gefahr erheblich übertrieben, weshalb ihn ein Verschulden an dem unnötigen Einsatz der Polizei trifft. So hat der Antragsteller ausweislich des Berichts durch POK E. beim Anruf gefordert, dass ein Streifenwagen umgehend – innerhalb von 15 Minuten – vor Ort zu erscheinen habe. Obwohl der Anruf nicht weiter dokumentiert ist, zeigt dies bereits, dass der Antragsteller offenbar eine dringende Gefahr suggeriert hat. Auch das vom Antragsteller am gleichen Tag verfasste Fax lässt einen Rückschluss auf den Inhalt des Anrufs zu, da das Fax bereits um 14:54 Uhr abgesandt und somit in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anruf verfasst worden ist. Hierin weist der Antragsteller auf gravierende Gefährdungen von Personen, Kindern und Schulkindern sowie massive Behinderungen im Kreuzungsbereich hin. Dieses Vorbringen stellt eine deutlich überzogene Schilderung des Sachverhaltes dar, nachdem die durch Fotos dokumentierten Feststellungen der eingesetzten Polizeibeamten zeigen, dass von dem Transporter keine Gefahr ausgegangen ist. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei den betroffenen Straßen um Straßen mit einem Tempolimit von 30 km/h handelt und dort kein Durchgangsverkehr herrscht. Vielmehr scheinen die Straßen sehr wenig befahren zu sein, weshalb eine massive Behinderung durch ein einzelnes, am Straßenrand parkendes Fahrzeug ausgeschlossen sein dürfte. Auch eine Gefährdung von Personen, insbesondere Schulkindern, ist in keinster Weise ersichtlich, zumal sich offenbar auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Gehweg befindet. Dies ist für den Antragsteller auch erkennbar gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs, wonach in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Regel der Streitwert eine Höhe von 1/4 des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts beträgt.

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