AG Berlin-Mitte – Az.: 7 C 3118/18 – Urteil vom 12.12.2018
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 1.636,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis.
Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen, der Beklagte unterhält bei der Klägerin eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Dem Versicherungsvertrag lagen die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin zugrunde.
Am 8. April 2015 ereignete sich ein Autounfall zwischen dem Beklagten und Herrn …. Dabei nutzte der Beklagte das Kurzzeitkennzeichen der Klägerin …. Herr … verklagte die Klägerin daraufhin vor dem Amtsgericht Berlin Mitte, Geschäftszeichen 3 C 3033/16. Am 14. März 2017 schlossen die Parteien des vorstehenden Verfahrens einen Vergleich, wonach die hiesige Klägerin an Herrn … einen Betrag in Höhe von 557,84 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 147,56 € zahlte. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.
Mit Schreiben vom 21. März 2017 forderte die Klägerin den Beklagten zum Ausgleich des streitgegenständlichen Betrages unter Bezugnahme auf die Nr. D.1.1 i.V.m. D.3.1 und D.3.3 der AKB der Klägerin mit der Begründung auf, dass der Beklagte mit dem Kurzzeitkennzeichen Fahrten zu privaten Zwecken durchgeführt habe. Eine Zahlung seitens des Beklagten erfolgte bislang nicht. Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe gegenüber dem im Verfahren zum Aktenzeichen 3 C 3033/16 tätigen Rechtsanwalt … mitgeteilt, dass er sich unter Nutzung des Kurzzeitkennzeichens privat mit Freunden getroffen hätte und auf dem Heimweg gewesen sei. Dies sei gemäß § 16 der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) jedoch untersagt. Der Beklagte habe daher seine aus dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Obliegenheiten verletzt, so dass die Klägerin leistungsfrei geworden sei.
Die Klägerin behauptet, in dem Verfahren zum Aktenzeichen 3 C 3033/16 seien Gerichtskosten in Höhe von 33,50 € und Anwaltsgebühren in Höhe von 895,48 € aufgrund der Rechnung des Rechtsanwalts … vom 21. März 2017 (Blatt 68 d. A.) entstanden.
Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hat, den Beklagten zur Zahlung von 1.600,88 € zu verurteilen, hat sie die Klage mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 erweitert. Die Klägerin beantragt nunmehr,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 1.636,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2017 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Herrn Rechtsanwalt …, … Backnang, in Höhe von 255,85 € freizustellen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er habe das versicherte Fahrzeug kurz zuvor erworben. Diesem hätten jedoch die Airbags gefehlt, weshalb er mehrere Händler und Werkstätten angefahren habe, um gebrauchte Airbags zu erwerben und einbauen zu lassen. Er sei dann lediglich mit Freunden beim Abendessen und im Zeitpunkt des Unfalls bereits auf dem Heimweg gewesen. Der Beklagte meint, gemäß § 16 FZV seien Fahrten zum Zwecke der Reparatur bzw. Wartung des Fahrzeugs zulässig.
Wegen des weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben hinsichtlich der Zahlung der Anwaltskosten aus dem Verfahren 3 C 3033/16 durch Vernehmung des Zeugen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Oktober 2018 (Blatt 63 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung in geltend gemachter Höhe aus den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann sie hingegen nicht verlangen.
I.
1. Die Klägerin kann vom Beklagten im Regresswege Erstattung der im Verfahren 3 C 3033/16 aufgewendeten Beträge in geltend gemachte Höhe gemäß Nr. D.1.1 i.V.m. D.3.1. und D.3. des zwischen den Parteien geltenden Versicherungsvertrages (AKB) verlangen, da der Beklagte seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt hat, indem er das bei der Klägerin versicherte Fahrzeug nicht zu dem in der Versicherungsbestätigung, im Versicherungsschein und im in den Versicherungsbedingungen angegebenen Umfang verwendet hat.
Unstreitig nutzte der Beklagte das versicherte Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfallgeschehens mit einem Kurzzeitkennzeichen. Gemäß § 16 Abs. 1 FZV darf ein Fahrzeug mit Kurzzeitkennzeichen nur zu Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrten in Betrieb gesetzt (…) bzw. für notwendige Fahrten zum Tanken, zur Außenreinigung und zum Zwecke der Reparatur oder Wartung genutzt werden. Eine solche Nutzung lag hier nicht vor.
Selbst wenn man den Vortrag des Beklagten als wahr unterstellt, wonach dieser zunächst vergeblich nach Spandau und anschließend in die Kopenhagener Straße gefahren sei, um gebrauchte Airbags zu erwerben und anschließend erfolglos verschiedenste Werkstätten angefahren habe, um die Airbags einbauen zu lassen, handelte es sich hierbei nach Auffassung des Gerichts nicht mehr um notwendige Fahrten zum Zwecke der Reparatur oder Wartung des Fahrzeugs i.S.d. § 16 FZV. Der Beklagte ist mehr oder weniger durch das gesamte Berliner Stadtgebiet gefahren, um eine Werkstatt zu suchen, welche die zuvor von ihm erworbenen Airbags einbauen sollte. Notwendige Fahrten zum Zwecke der Reparatur sind nach Auffassung des Gerichts aber nur diejenigen Fahrten, die stattfinden, um das Fahrzeug in die die Reparatur durchführende Werkstatt zu verbringen. Nicht notwendig jedoch sind Fahrten, die stattfinden, um überhaupt erst einmal eine Werkstatt zu finden, welche die Reparatur durchführen könnte. Derartige Fahrten dienen dann allein der Informationsgewinnung und gerade nicht der Verbringung des Fahrzeuges zum Zwecke der Reparatur. Insoweit hätte der Beklagte die entsprechenden Informationen ohne Weiteres zuvor telefonisch bei den Werkstätten bzw. Gebrauchtteilehändlern einholen können, um dann nur zu der Werkstatt zu fahren, die ihm telefonisch den Einbau der Airbags zugesagt hat.
2. Aufgrund der Nutzung des Fahrzeuges unter Verstoß gegen § 16 FZV hat der Beklagte der Klägerin aufgrund der Versicherungsbedingungen den Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aufgrund des Unfallgeschehens entstanden ist und bezüglich dessen sie von der Leistung frei geworden ist. Dieser Schaden berechnet sich wie folgt:
1.636,38 €
557,84 € Vergleichsbetrag (Verfahren 3 C 3033/16), unstreitig
147,56 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (Verfahren 3 C 3033/16), unstreitig
35,50 € Gerichtskosten (Verfahren 3 C 3033/16)
895,48 € Anwaltskosten (Verfahren 3 C 3033/16)
Bei der vorstehenden Berechnung hat sich das Gericht von folgenden Überlegungen leiten lassen:
Das seitens der Klägerin der Vergleichsbetrag in Höhe von 557,84 € sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € gegenüber dem Geschädigten Kunath ausgeglichen worden sind, ist vom Beklagten nicht bestritten worden, so dass der diesbezügliche Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
Darüber hinaus hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2018 durch Vorlage des Beschlusses des Amtsgerichts Mitte vom 25. April 2017 zum Aktenzeichen 3 C 3033/16 substantiiert vorgetragen, dass sie im vorstehenden Verfahren mit Gerichtskosten in Höhe von 35,50 € belastet war und diese gegenüber dem damaligen Kläger, Herrn …, ausgeglichen habe. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin ist daraufhin vom Beklagten nicht weiter bestritten worden, so dass er ebenfalls gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
Schließlich ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin anlässlich des Verfahrens 3 C 3033/16 an den Rechtsanwalt … Kosten in Höhe von 895,48 € ausgeglichen hat. Der Zeuge … hau überzeugend und widerspruchsfrei ausgeführt, dass er seitens der Klägerin im damaligen Verfahren hauptbevollmächtigt worden sei und die jetzigen Klägervertreter, die Rechtsanwälte … unterbevollmächtigt habe. Er hat ferner glaubhaft und unter Vorlage eines Kontoauszuges vorgetragen, dass ihm seitens der Klägerin mit Wertstellung vom 24. März 2017 ein Betrag in Höhe von 895,48 € unter dem Verwendungszweck IVK-12289/01-15 überwiesen worden sei. Der vorstehende Verwendungszweck findet sich so auch auf der Rechnung des Zeugen … vom 21. März 2017 über 895,48 €. Die Rechnung trägt ferner das Aktenzeichen 2047/16. Aus diesem Grund hat das Gericht – anders als der Beklagte – auch keinerlei Zweifel, dass es sich bei der vorstehenden Rechnung vom 21. März 2017 über 895,48 € des Rechtsanwalts … um die Rechnung das Verfahren 3 C 3033/16 betreffend handelt. Die Akte 3 C 3033/16 wurde zum hiesigen Verfahren beigezogen (was den Parteien mit der Terminsladung vom 5. Juli 2018 mitgeteilt worden war). Daraus ergibt sich, dass sämtliche Schriftsätze des damaligen Beklagtenvertreters im Verfahren 3 C 3033/16, des Rechtsanwalts …, ebenfalls das Aktenzeichen 2047/16 tragen. Ferner ist der Akte zu entnehmen, dass im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. März 2017 für die dortigen Beklagten Rechtsanwalt … aus der Kanzlei … mit entsprechender Vollmacht als Unterbevollmächtigter erschienen ist. Folglich hat das Gericht – anders als der Beklagte – auch keinerlei Zweifel, dass die hiesigen Hauptbevollmächtigten im Verfahren zum Aktenzeichen 3 C 3033/16 als Unterbevollmächtigte tätig geworden sind.
Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf Verzug, § 286 Abs. 1 BGB. Die Zinshöhe richtet sich nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nicht verlangen. Im Zeitpunkt der anwaltlichen Aufforderung vom 21. März 2017 durch Rechtsanwalt …, mit der der Beklagte – mangels gegenteiligen Vortrags – erstmals zur Zahlung der streitgegenständlichen Regressforderung aufgefordert wurde, war er nicht in Verzug. Die Kosten einer anwaltlichen Erstmahnung – wie hier – sind jedoch regelmäßig nicht erstattungsfähig, da diese den Verzug erst begründet, mithin die Verzugskosten nicht durch selbige entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016, IX ZR 208/15, juris). Wenn der mit der verzugsbegründenden Erstmahnung beauftragte Rechtsanwalt nach Verzugseintritt weiter tätig geworden ist, führt das nur zur Erstattungsfähigkeit von Kosten, die dadurch zusätzlich angefallen sind. Nach Vorbemerkung 2.3 VV RVG entsteht die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Informationen. Wenn die Fälligkeit der Gebühr erst nach Verzugseintritt eingetreten ist, ändert das an der fehlenden Kausalität zwischen Verzug und Anfall der Gebühren nichts.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 709 ZPO.