OLG Celle, Az.: 5 U 175/14, Urteil vom 08.10.2015
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. September 2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim teilweise geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert des Berufungsverfahrens: 10.190,18 EUR
Gründe
A.
Der Kläger macht mit der Klage Schadensersatzansprüche als Halter eines finanzierten und an die finanzierende Bank zunächst sicherungsübereigneten Pkw B. … aus einem Verkehrsunfall geltend.
Die Beklagte zu 1 behauptet unter Darlegung verschiedener Indizien einen gestellten Verkehrsunfall. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
Der Kläger hat mit der Klageschrift zunächst Zahlung in Höhe von 10.190,18 € sowie vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 703,80 € an sich selbst verlangt.
Nachdem die Beklagte zu 1 die Aktivlegitimation des Klägers im Hinblick auf das Sicherungseigentum der finanzierenden Bank gerügt hatte, hat der Kläger erstinstanzlich beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die A. E. Bank, Zweigniederlassung der V. Bank GmbH, …, … B., zur Vertragsnummer … 10.190,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 12. Februar 2013 zu zahlen sowie an ihn vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 703,80 €.
Die Beklagte zu 1 hat erstinstanzlich – zugleich für den Beklagten zu 2 – beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 2 angehört, den Zeugen K. zum Unfallhergang vernommen und Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten zur Vereinbarkeit des Schadensbildes an den beteiligten Fahrzeugen mit dem behaupteten Unfallgeschehen und zur Kausalität der klägerischen Schäden erhoben. Es hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die finanzierende Bank den Schaden in Höhe von 10.190,18 € (bestehend aus Nettoreparaturkosten, Wertminderung und allgemeiner Kostenpauschale) zu zahlen. Wegen der Begründung der Entscheidung wird auf die Urteilsgründe verwiesen.
Mit der Berufung macht die Beklagte zu 1 – zugleich für den Beklagten zu 2 – geltend, dass im Berufungsverfahren ein ihr erstmals am 11. November 2014 bekannt gewordener Sachverhalt, nämlich dass der Kläger bereits am 10. Juni 2014, mithin vor Schluss der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2014, das finanzierte Fahrzeug bei der finanzierenden Bank ausgelöst hat und uneingeschränktes Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat, zu berücksichtigen sei, so dass Schadensersatzansprüche des Klägers ausscheiden würden, da es sich um einen gestellten Verkehrsunfall handele.
Die Beklagte zu 1 und – zugleich als Streithelferin des Beklagten zu 2 – beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an ihn einen Betrag in Höhe von 10.190,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. August 2013 zu zahlen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags. Zugestanden wird, dass der Kläger den B. … durch Rückzahlung des Darlehens von der finanzierenden Bank zu Eigentum erworben habe, wobei die Abrechnung des Darlehensvertrages per 25. Juni 2014 erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der bis zur mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.
I.
Die Klage ist unbegründet, da eine hinreichende Anzahl von Indizien auf einen gestellten Verkehrsunfall deutet.
Eine ungewöhnliche Häufung von Beweiszeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass ein Unfall verabredet ist, wobei eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ausreicht. Beweisanzeichen können sich z. B. ergeben aus Unfallhergang, Art der Schäden, fehlender Kompatibilität, Anlass der Fahrt, Art der beteiligten Fahrzeuge, persönlichen Beziehungen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Aufgrund des Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. W. ist zwar davon auszugehen, dass die Schäden am klägerischen Pkw auf eine Kollision mit dem vom Beklagten zu 2 am 31. Dezember 2012 geführten Mietfahrzeug zurückzuführen sind. Allerdings ist die Unfallkollisionskonstellation nicht plausibel und spricht für einen gestellten Verkehrsunfall:
Der Sachverständige Dipl.-Ing. W. hat festgestellt, dass das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision mit etwa 3 bis 5 km/h gefahren ist und das Beklagtenfahrzeug mit etwa 10 bis 15 km/h gefahren ist und das Fahrzeug des Klägers für den Beklagten zu 2 als Hindernis im direkten Sichtfeld für einen längeren Zeitraum vor der Kollision sichtbar gewesen sein muss, nämlich mindestens 20 Sekunden, da der Einmündungstrichter knapp 30 Meter lang ist. Insoweit ist das Fahrverhalten – sowohl des Zeugen K. als auch des Beklagten zu 2 technisch und verkehrspsychologisch nicht nachvollziehbar, und steht im Widerspruch zu der sonst im Straßenverkehr bei aufkommender Gefahr in Verzug (Gefahr einer Kollision) einzuleitenden Gefahrabwehrmaßnahmen.
Soweit der Beklagte zu 2 im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme angegeben hat, er habe das klägerische Fahrzeug übersehen und sei aufgrund der Wahrnehmung eines Blinkers, den er nicht richtig zuordnen konnte, losgefahren, überzeugt dies nicht. Auch die Angaben des Zeugen K., dass er witterungs- bzw. verkehrsbedingt mit etwa 30 km/h drei oder vier Fahrzeugen gefolgt sei, als es plötzlich krachte, überzeugen nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht.
Zu den nicht nachvollziehbaren Kollisionsparametern kommen hier weitere Indizien dazu, die in der Gesamtschau bei dem Senat die Überzeugung bilden, dass der Unfall gestellt ist. Dazu gehört zunächst, dass das Schädigerfahrzeug ein Mietfahrzeug und dieses ein sehr stabil gebauter Kastenwagen ist und damit ein eigener Schaden des Beklagten zu 2 mit Ausnahme der im Mietfahrzeug ausdrücklich reduzierten letztlich geringen Selbstbeteiligung von 500,00 € beschränkt ist. Aufgrund der Bauart und der geringen Geschwindigkeit bestand auch nur ein geringes Verletzungsrisiko bei einem Verkehrsunfall für den Beklagten zu 2. Das geschädigte Fahrzeug ist ein älteres Luxusfahrzeug mit hoher Laufleistung (B. …), welches wegen der Motorgröße und PS-Zahl in der Unterhaltung teuer und gegenwärtig nur relativ schwer verkäuflich ist. Der augenscheinliche Unfallhergang führt auf den ersten Blick zu einer klaren Haftungsquote, da hier eine Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 2 vorliegt und aufgrund der Unfallzeit, nämlich bei Dunkelheit und zu einem Zeitpunkt, wo mit wenig Zeugen zu rechnen ist, nämlich am 31. Dezember um 17.30 Uhr, keine unabhängigen Zeugen zur Verfügung stehen. Weiter typisch ist, dass der Beklagte zu 2 als Unfallverursacher den Unfallhergang und seine Alleinschuld gegenüber der herbeigerufenen unfallaufnehmenden Polizei sofort eingeräumt hat. Schließlich hat der Beklagte zu 2 keine nachvollziehbare Erklärung für die gewählte Fahrstrecke zur Unfallörtlichkeit, geben können: Der Beklagte zu 2 hat insoweit einen mindestens doppelt so langen Weg zu dem von ihm angegebenen Fahrtziel in Kauf genommen, ohne hierfür eine plausible Erklärung gehabt zu haben. Dabei ist sich der Senat bewusst, dass eine Überzeugungsbildung nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraussetzt. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Indiz bei isolierter Betrachtung auch unverdächtig sein kann. So ist die Begründung, dass der Beklagte zu 2 mit dem Mietwagen für eine private Silvesterparty Festzeltgarnituren transportiert habe, für sich genommen plausibel.
Die Häufung derartiger Indizien ist aber letztlich nicht anders als mit einem fingierten Geschehen zu erklären. Dazu kommt, dass der Kläger vorgerichtlich ohne das Sicherungseigentum zu offenbaren Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu 1 zur Zahlung an sich geltend gemacht hat und auch im gerichtlichen Verfahren erster Instanz nicht von sich aus vorgetragen hat, dass er bereits seit Juni 2014 – und damit vor Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung – das streitgegenständliche finanzierte Fahrzeug bei der finanzierenden Bank durch vollständige Rückzahlung des Darlehens ausgelöst hat und daraufhin das uneingeschränkte Eigentum an dem B. erworben hat.
Dass sich anhand der Feststellungen bzw. dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht sicher feststellen lässt, dass sich der Kläger bzw. der Zeuge K. und der Beklagte zu 2 vor dem Unfallereignis bereits gekannt haben, steht der Annahme eines manipulierten Unfalls nicht entgegen (OLG Köln, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – 19 U 79/14 -, Juris Rdnr. 16).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.