AG Schwerte
Az.: 10 Owi 573 Js 42/13
Urteil vom 05.06.2014
In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht Schwerte aufgrund der Hauptverhandlung vom 05.06.2014 für Recht erkannt:
Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 880,00 € verurteilt. Dem Betroffenen wird für die Dauer von zwei Monaten verboten Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Ur-teils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.
(§§ 41 II, 49 StVO, 24, 25 StVG, § 25a II StVG, 4 I BKatV)
Gründe:
Über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ist nichts bekannt.
Ausweislich einer Auskunft aus dem Verkehrszentralregister ist der Betroffene verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
Am 25.09.2014 (muss wohl 2012 heißen) befuhr der Betroffene mit dem PKW BMW Mini, mit dem amtlichen Kennzeichen ppppp. die BAB 1 im Bereich Schwerte in Fahrtrichtung Bremen mit einer Geschwindigkeit von 149 km/h, obwohl dort aufgrund einer Baustelle, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 Km/h begrenzt war.
Der Betroffene passierte dabei zwei Verkehrszeichen Nr. 274 („Tempo 80 km/h“), vier Verkehrszeichen Nr. 501 („Ankündigung Überleitung“), sowie ein Verkehrszeichen Nr. 123 („Gefahr Arbeitsstelle“).
Die Geschwindigkeitsmessung wurde von den Zeugen Br. und Bl. mittels des Police- Pilot- Systems (Pro-ViDa2626) mit Videoanlage durchgeführt.
Die Zeugen führten mittels des Systems eine Weg-Zeit- Messung durch und fertigten eine Videoaufzeichnung an. Bei der Messung wurde die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs auf die Geschwindigkeit des betroffenen Fahrzeugs übertragen und anhand der Entfernung des betroffenen Fahrzeugs die festgestellte Geschwindigkeit ermittelt. Dazu wird die Größe des betroffenen Fahrzeugs bei Beginn der Messung mit der Größe des betroffenen Fahrzeugs bei Beendigung der Messung verglichen. Die Messung erfolgte manuell. Dabei wird die Messung der Wegstrecke und der Zeit synchron gestartet und gestoppt. Das Fahrzeug des Betroffenen wies eine Größe von 3,5 bei Beginn der Messung, bei Ende der Messung eine Größe von 3,1 auf. Die Messstrecke betrug 253m, durchfahren in 5,79 Sekunden. Aus der Berechnung, Messstrecke multipliziert mit Umrechnungsfaktor 3,6 dividiert durch Zeit, ergibt sich die gemessene Geschwindigkeit von 157,3 km/h. Nach Abzug der Toleranz von 5 % ergibt sich die festgestellte Geschwindigkeit von 149 km/h.
Das Messgerät war am 04.11.2011 von dem Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen in Düsseldorf geeicht worden. Der Zeuge Br. hat vom 24.08.2011 bis 26.08.2011 an einer Schulung des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW betreffend des ProViDa- Systems teilgenommen.
Vorstehender Sachverhalt steht nach der Beweisaufnahme durch Kenntnisnahme des Eichscheins, Inaugenscheinnahme der Messbilder, des Schulungsnachweises und der Vernehmung der Zeugen ppp. zur Überzeugung des Gerichts fest.
Zur Überzeugung des Gerichts steht insbesondere auch die Fahrereigenschaft des Betroffenen fest. Der Zwillingsbruder des Betroffenen, der Zeugen pp, verweigerte die Aussage.
Der Zeuge Bl. hat glaubhaft bekundet, dass er die Personalien aufgeschrieben habe. Dazu sei ihm von dem Fahrer des Fahrzeugs ein Führerschein ausgehändigt worden. Daran könne er sich zwar nicht genau erinnern, da aber alle Daten genau aufgeschrieben worden seien, müsse ihm ein Führerschein übergeben worden sein. Auch der Zeuge Br. hat bekundet, dass seinem Kollegen von dem Fahrzeugführer Papiere überreicht worden sind. Zudem bekundete der Zeuge, dass er die Armbanduhr und das Armband des Betroffenen, welche er bei der Hauptverhandlung trug, wiedererkannt habe, da er diese auch am Tattag getragen habe.
Das Gericht geht danach zugunsten des Betroffenen davon aus, dass er am Tattag am Steuer des gemessenen Fahrzeugs saß und den ermittelnden Polizeibeamten Br. und Bl. gegenüber sich der Wahrheit entsprechend als Fahrer ausgewiesen hat. Das Gericht geht gerade nicht davon aus, dass kurz vor der Durchführung der Verkehrskontrolle ein Austausch von Ausweispapieren zwischen dem Betroffenen und seinem Zwillingsbruder stattgefunden hat. Denn in diesem Fall käme eine Strafbarkeit des Betroffenen und seines Zwillingsbruders nach § 145d I Nr.1, II StGB bzw. nach § 164 I StGB in Betracht.
Die anhand der ProViDA Messung errechnete Geschwindigkeit von 149 km/h konnte aufgrund der Aussage des Zeugen Br. und der Inaugenscheinnahme des Messfilms, sowie der Videoprints nachvollzogen werden.
Es handelt sich bei dem ProViDA System um ein standardisiertes Messverfahren, sodass nur auf Rüge etwaige Messfehler zu überprüfen gewesen wäre.
Solche wurden im Termin zur Hauptverhandlung nicht geltend gemacht.
Soweit der Verteidiger der Verwertung des Messfilms widersprochen hat, da es sich dabei nur um eine Kopie handle, deren Übereinstimmung mit dem Original nicht überprüft werden könne, kann dem nicht gefolgt werden. Der Zeuge pp. hat glaubhaft bekundet, dass er selbst eine Kopie von der Messvideosequenz (S-VHS) auf eine normale VHS- Kassette gespielt habe. Er könne daher sagen, dass Kopie und Original übereinstimmen.
Dies reicht dem Gericht aus. Der Zeuge pp. hat glaubhaft bekundet, dass er selbst die Kopie angefertigt habe und diese mit – dem Original-Messfilm übereinstimmt.
Der Betroffene hat damit gegen das sich aus Verkehrszeichen 274 Anlage 2 zu § 41 I StVO ergebende Verbot, den dem Zeichen nachfolgenden Bereich nicht mit einer höheren Geschwindigkeit als 80 km/h zu befahren, verstoßen. Da er hierbei vorsätzlich handelte, hat er damit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 49 III Nr.3 StVO, 24 StVG erfüllt.
Der Betroffene war wegen einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu verurteilen, da er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 86,25 % überschritten hat. Bereits dieser Wert stellt ein gewichtiges Indiz für die vorsätzliche Begehung dar.
Je höher die Abweichung der gefahrenen von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt, desto mehr drängt sich eine vorsätzliche Tatbegehung auf, weil eine solche einem Fahrzeugführer wegen der erhöhten Fahrgeräusche und v.a. wegen des sich schneller verändernden Umgebungseindrucks nicht verborgen geblieben sein kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.04.2006- Az. 1 Ss 25/06). Ausweislich der In Augenschein genommen Videoprints überfuhr der Betroffene während der Messung zwei Verkehrszeichen Nr. 274 („Tempo 80 km/h“), vier Verkehrszeichen Nr. 501 (Ankündigung „Überleitung“), sowie ein Verkehrszeichen Nr. 123 („Gefahr Arbeitsstelle“). Dem Betroffenen musste aufgrund dieser zahlreichen Verkehrszeichen und der deutlich langsameren Verkehrsteilnehmer bewusst sein, dass er die Geschwindigkeitsbegrenzung wesentlich überschritten hat.
Wegen der Ordnungswidrigkeit war gegen den Betroffenen eine Geldbuße festzusetzen. Der Bußgeldkatalog sieht gemäß Nr.11.3.9 für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 69 km/h eine Regelgeldbuße von 440 € sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten vor.
Die Geldbuße war wegen des festgestellten Vorsatzes gemäß § 3 IVa BKatV auf 880,00 € zu erhöhen.
Das Fahrverbot war gemäß § 25 11 StVG anzuordnen. Es konnte auch nicht ausnahmsweise gemäß § 4 IV BKatV von der Anordnung des Regelfahrverbots abgesehen werden.
Zwar liegt der fragliche Verkehrsverstoß bereits ca. 1 ½ Jahre zurück, sodass fraglich sein könnte, ob die Anordnung des Fahrverbots aus spezialpräventiven Gründen noch erforderlich ist. Ein Fahrverbot kann seine Funktion als sog. Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Fahrzeugführer nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt (OLG Hamm Beschl. v. 23.07.2013- 5 RVs 52/13).
Ein Zeitablauf von fast zwei Jahren hat andererseits aber nicht zwingend zur Folge, dass von einem Fahrverbot abzusehen ist. Der Zeitrahmen von zwei Jahren ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch erfüllen kann, nahe legt (BayObLG NZV 2004, 210).
Vorliegend hält das Gericht die Anordnung des Fahrverbots trotz der langen Verfahrensdauer aus erzieherischen Gründen für geboten.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auf welchen Umständen, die lange Verfahrensdauer beruht. Zwar waren Terminsverlegungen z.T. auch durch Verhinderung von Zeugen notwendig, Verzögerungen sind aber schließlich auch durch die Einlegung des Rechtsmittels eingetreten. Zwar muss es dem Betroffenen unbenommen bleiben, sich aller zu seiner Verteidigung für notwendig erachteten zulässigen prozessualen Mittel zu bedienen, andererseits würde es aber dem Zweck der BKatV zuwiderlaufen, wenn ein Betroffener durch sein Prozessverhalten die vom Verordnungsgeber bei bestimmten schwerwiegenden Verkehrsordnungswidrigkeiten für notwendig erachtete Nebenfolge des Fahrverbots dadurch unterlaufen könnte, dass er gezielt zu einer möglichst späten Entscheidung über seinen Einspruch beiträgt um sich sodann darauf zu berufen, das Fahrverbot sei infolge lange zurückliegender Tat nicht mehr gerechtfertigt (OLG Köln NZV 2000, 217).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 I OWiG, 465 I StPO.