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Darlehensvertrag – Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages

OLG Stuttgart – Az.: 6 U 250/18 – Urteil vom 19.11.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 3.9.2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.490,19 Euro.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt nach mit Schreiben vom 9.3.2018 erklärtem Widerruf die Rückabwicklung eines teilweise durch ein Darlehen der beklagten Bank vom 5.7.2013 finanzierten PKW-Kaufs. Der Zinssatz für das Darlehen betrug 0%, auch Kosten oder Gebühren sind nicht angefallen. Das Darlehen ist zwischenzeitlich zurückgeführt und der Kläger hat das finanzierte Fahrzeug veräußert.

Der Kläger hat in erster Instanz gemeint, ihm habe ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB zugestanden und die Widerrufsfrist sei mangels ordnungsgemäßer Erteilung der insoweit erforderlichen Pflichtangaben nicht in Gang gesetzt worden; sein Widerruf sei daher wirksam gewesen. Bezüglich der Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da dem Kläger mangels Entgeltlichkeit des Darlehensvertrages ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht zugestanden habe und auch auf ein vertragliches Widerrufsrecht nicht geschlossen werden könne.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der jetzt erstmals meint, ihm habe ein Widerrufsrecht nach §§ 321d, 355 BGB zugestanden, da es sich beim streitgegenständlichen Darlehensvertrag um ein Fernabsatzgeschäft gehandelt habe. Hilfsweise sei aber entgegen der Auffassung des Landgerichts auch von der Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auszugehen.

Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz, das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 03.09.2018 – Bm 6 O 209/18 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.490,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig und bestreitet, dass ein Fernabsatzvertrag vorliege. Sie beantragt Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB finden die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in ihrer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 5.3.2013 gültigen Fassung Anwendung (Zitierungen von BGB und EGBGB im Folgenden beziehen sich auf die Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt).

Danach stand dem Kläger ein gesetzliches Widerrufsrecht bezüglich des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages von Anfang an nicht zu (1.) und der Kläger kann sich auch nicht auf ein vertragliches Widerrufsrecht berufen (2.). Mangels wirksamen Widerrufs besteht auch der geltend gemachte Anspruch nicht.

1.

Dem Kläger stand beim Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags weder aus § 495 BGB (a)) noch aus § 312d BGB (b)) ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.

a)

Richtig hat das Landgericht entschieden, dass dem Kläger kein Widerrufsrecht nach § 495 BGB zustand.

Auf die uneingeschränkt zutreffende Begründung des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen; nachdem sich die Berufung damit nicht auseinandersetzt, besteht zu weiteren Ausführungen kein Anlass.

b)

Entgegen der Auffassung der Berufung stand dem Kläger auch kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht aus § 312d Abs. 1 BGB zu.

Das würde voraussetzen, dass es sich beim streitgegenständlichen Vertrag um einen Fernabsatzvertrag gehandelt hätte und das ist nicht der Fall.

aa)

Gemäß § 312b Abs. 1 BGB setzt die Qualifikation eines Vertrages als Fernabsatzvertrag u. a. voraus, dass der Vertrag „unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ geschlossen wurde.

bb)

Daran fehlt es vorliegend.

(1)

Darlehensvertrag - Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages
(Symbolfoto: khunkorn/Shutterstock.com)

Der Vertrag ist nicht „unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ geschlossen, wenn der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmers oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter hat. Nur in Fällen, in denen der Verbraucher keine Möglichkeit hat, vor Vertragsschluss den Vertragsgegenstand persönlich in Augenschein zu nehmen oder im persönlichen Gespräch mit dem Unternehmer oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter Fragen zu stellen und Unklarheiten auszuräumen, besteht ein Bedürfnis für ein zweiwöchiges Widerrufsrecht (BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 – XI ZR 160/17 –, Rn. 21, juris, m.w.N.).

Das steht in Einklang mit Art. 2 Nr.1 der europarechtlichen Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG und Art. 2 a) der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, wonach ein Fernabsatzvertrag nur vorliegt, wenn der Unternehmer für den Vertrag „bis zu und einschließlich dessen Abschlusses“ – also auch bei der Anbahnung des Vertrages – ausschließlich Fernkommunikationstechniken verwendet.

(2)

Nach diesen Maßstäben liegt angesichts des vorliegend unstreitig bei körperlicher Anwesenheit des Klägers in den Räumen der Verkäuferin des PKW erfolgten Vertragsschlusses ein Fernabsatzvertrag nicht vor.

Vielmehr hatte der Kläger die Möglichkeit, mit der Verkäuferin als der Verhandlungsgehilfin der Beklagten Vertragsdetails zu klären und Nachfragen zu stellen und damit im Sinne der zitierten Rechtsprechung die Möglichkeit, im persönlichen Gespräch mit dem Unternehmer oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter Fragen zu stellen und Unklarheiten auszuräumen. Eine Fernabsatzsituation scheidet aus, wenn der Darlehnsnehmer – wie hier – einem Verhandlungsgehilfen in unmittelbarem persönlichen Kontakt gegenübertritt, der über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung des Unternehmers nähere Auskünfte geben kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2019 – XI ZR 755/17 –, Rn. 20).

Darauf, ob die Verkäuferin von der Beklagten zum Abschluss des Darlehensvertrags auch im technischen Sinne bevollmächtigt war, kommt es dabei nicht an. Das ergibt sich insbesondere nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Februar 2018 – XI ZR 160/17 -, juris. Denn dort ist zwar von einem „vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter“ die Rede (a. a. O., Rn. 20). Damit ist aber keine Vollmacht zum Abschluss des Vertrages im technischen Sinne gemeint, wie sich aus der an der fraglichen Stelle erfolgenden Bezugnahme des Bundesgerichtshofs auf seine frühere Entscheidung vom 21. Oktober 2004 – III ZR 380/03 -, juris, ergibt: Denn dort (a. a. O., Rn. 22) sind die Anforderungen an die eingeschaltete Person unabhängig von einer Bevollmächtigung im technischen Sinne dahin definiert, dass der Verbraucher die Möglichkeit gehabt haben muss, vor Vertragsschluss im persönlichen Gespräch Fragen zu stellen und Unklarheiten auszuräumen, wie es beispielsweise bei – wie hier – Vermittlern, Verhandlungsgehilfen oder sonstigen Repräsentanten des Unternehmens der Fall ist, die wegen der Einzelheiten der Leistung Rede und Antwort stehen.

2.

Auch ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht stand dem Kläger nicht zu.

a)

Dabei kann offen bleiben, ob der Vortrag des Klägers, es sei ein Widerrufsrecht vereinbart worden, in der Berufungsinstanz neu und gemäß §§ 529, 531 ZPO nicht zuzulassen ist, wie die Beklagte meint.

b)

Denn auch bei Zulassung dieser Behauptung lässt sich ein entsprechende Vereinbarung nicht feststellen.

aa)

Eine Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (BGH, Beschluss vom 26. März 2019 – XI ZR 372/18 –, Rn. 17, juris).

bb)

Gründe, warum das vorliegend anders zu beurteilen sein sollte, sind nicht erkennbar, zumal von der Beklagten vorliegend nicht eine Widerrufs-„belehrung“ erteilt, sondern eine Widerrufs-„information“ gegeben wurde, was eine Auslegung als Angebot auf die Einräumung eines an sich nicht bestehenden Widerrufsrechts erst recht fernliegend erscheinen lässt.

c)

Damit kann außerdem offen bleiben, unter welchen Umständen die Frist für ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrechts in Gang gesetzt worden wäre.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

 

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