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BGH-Urteil zu Windenergie-Nutzungsverträge: Ist eine vorzeitige Kündigung möglich?

Ein unterschriebener Vertrag, die Aussicht auf Pachteinnahmen für ein Windrad auf dem eigenen Acker – und dann passiert jahrelang: nichts. Der Landwirt Klaus Hoffmann (Name geändert) aus Sachsen-Anhalt kennt das Gefühl. Kann er aus dem Vertrag aussteigen, der ihm zwar Pflichten auferlegt, aber noch kein Geld bringt? Diese Frage hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) in einem weitreichenden Urteil geklärt und damit für erhebliche Aufmerksamkeit in der Landwirtschaft und der Energiebranche gesorgt.

Nutzungsverträge für Windkraftanlagen: Können diese langfristigen Verträge vorzeitig gekündigt werden?
Das BGH-Urteil schafft mehr Planungssicherheit bei Windkraft-Verträgen für Betreiber und Klarheit für Landwirte.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Windkraft-Verträge bleiben auch ohne Baubeginn gültig: Landwirte können sie meist nicht einfach kündigen, solange im Vertrag kein anderes Recht vereinbart ist.
  • Betroffen sind Grundstückseigentümer, die Flächen für Windparks verpachtet haben, sowie die Windpark-Betreiber.
  • Für Landwirte heißt das: Sie bleiben an den Vertrag gebunden, bekommen aber erst ab Bau oder Betrieb Geld. Frühzeitiges Aussteigen ist nur in Ausnahmefällen möglich, z. B. wenn die Genehmigung lange ausbleibt und der Vertrag dafür ein Rücktrittsrecht vorsieht.
  • Hintergrund: Der Bundesgerichtshof entschied, dass solche Verträge vorrangig für Planungssicherheit sorgen sollen. Die lange Wartezeit ohne Entgelt ist fair, solange die Landwirte weiter wirtschaften können und Ausstiegsklauseln bestehen.
  • Gültig ist das Urteil ab sofort (12. März 2025) für ähnlich aufgebaute Verträge. Betroffene sollten ihre Verträge unbedingt genau prüfen lassen.

Quelle: Bundesgerichtshof vom 12. März 2025

Windkraft-Verträge auf dem Prüfstand: Bundesgerichtshof stärkt langfristige Planungssicherheit – Was Landwirte jetzt wissen müssen

Für Tausende Grundstückseigentümer und Projektentwickler von Windparks ist die Entscheidung vom 12. März 2025 (Az. XII ZR 76/24) von immenser Bedeutung. Sie beantwortet die kritische Frage: Ist ein Landnutzungsvertrag für eine geplante Windenergieanlage schon vor dem eigentlichen Baubeginn kündbar, wenn sich das Projekt verzögert? Die Antwort des höchsten deutschen Zivilgerichts ist ein klares – aber differenziertes – Nein, zumindest in dem verhandelten Fall. Das Urteil schafft Rechtssicherheit, wirft aber auch ein Schlaglicht auf die komplexen Vertragsbeziehungen bei der Energiewende.

Der Fall Hoffmann: Ein Landwirt im Wartestand

Stellen wir uns den fiktiven Landwirt Klaus Hoffmann vor. Er bewirtschaftet seit Jahrzehnten Felder in einer ländlichen Region Sachsen-Anhalts. Vor etwa sieben Jahren, im Mai 2017, klopfte ein Unternehmen bei ihm an, das in der Gegend einen Windpark plante. Man bot ihm einen Nutzungsvertrag für eine seiner Flächen an. Nicht für ein ganzes Windrad, aber Teile seines Ackers würden für Zufahrten, Kabeltrassen und als Überhangfläche für die Rotorblätter einer nahen Anlage benötigt.

Der Vertrag klang verlockend: Eine Laufzeit von 20 Jahren, beginnend ab der Inbetriebnahme der letzten geplanten Anlage im Park, und dafür eine jährliche Nutzungsentschädigung. Hoffmann unterschrieb den Vertrag, der vom Windpark-Unternehmen vorbereitet war – ein sogenannter Formularvertrag. Im Kleingedruckten stand, dass das Grundstück erst „mit Baubeginn“ zur Verfügung gestellt werden müsse. Der Vertrag endet ab dem 31.Dezember des Jahres, in dem die Inbetriebnahme der letzten geplanten Windkraftanlage erfolgt ist, nach Ablauf von 20 Jahren.

Ebenfalls enthalten: Eine Klausel, die beiden Seiten ein Rücktrittsrecht einräumte, falls nicht binnen fünf Jahren die notwendige immissionsschutzrechtliche Genehmigung – die behördliche Erlaubnis für den Bau und Betrieb – vorliegt. Diese Frist konnte sich unter bestimmten Umständen verlängern, etwa wenn gegen eine Ablehnung geklagt wird oder Dritte die Genehmigung anfechten.

Die Jahre vergingen. 2018, 2019, 2020, 2021. Von einem Baubeginn war weit und breit nichts zu sehen. Die Genehmigungsverfahren zogen sich hin. Klaus Hoffmann wurde ungeduldig. Er hatte zwar kaum Einschränkungen bei seiner Feldarbeit, aber das Land war vertraglich gebunden. Was, wenn er es anders nutzen wollte? Was, wenn ein anderes Unternehmen mehr bot? Im Februar 2022 reichte es ihm. Er schickte dem Windpark-Unternehmen die ordentliche Kündigung des Nutzungsvertrags, fristgerecht zum 30. Mai 2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Vertrag ist Vertrag – Oder doch nicht? Die Rechtslage vor dem BGH-Urteil

Hoffmanns Gedanke war nachvollziehbar: Der Vertrag sah eine feste Laufzeit von 20 Jahren vor, die aber erst mit der Inbetriebnahme beginnen sollte. Bis dahin, so seine Vermutung, müsste doch ein normal kündbares, unbefristetes Vertragsverhältnis bestehen. Schließlich war vollkommen ungewiss, ob und wann die Windräder überhaupt gebaut und in Betrieb genommen würden.

Genau hier lag der juristische Knackpunkt, der nicht nur Hoffmann, sondern viele Landwirte und Juristen beschäftigte. Die Rechtslage war umstritten:

  • Die eine Sichtweise: Wenn der Start einer festen Vertragslaufzeit von einem unsicheren zukünftigen Ereignis abhängt (wie der Inbetriebnahme einer noch zu genehmigenden Anlage), dann ist die Laufzeit bis zum Eintritt dieses Ereignisses unbestimmt. Ein Miet- oder Pachtvertrag ohne feste Laufzeit kann aber grundsätzlich ordentlich gekündigt werden (§ 542 Abs. 1, § 580a BGB). Viele Landwirte hofften auf diese Auslegung.
  • Die andere Sichtweise: Die Parteien wollten doch von Anfang an eine langfristige Bindung für das Windparkprojekt. Der Vertrag soll ja gerade sicherstellen, dass die Flächen verfügbar sind, wenn die Genehmigung kommt. Eine Kündigungsmöglichkeit würde den Zweck des Vertrags unterlaufen. Zudem enthielten die Verträge oft spezielle Rücktrittsregeln für den Fall, dass die Genehmigung ausbleibt – warum diese, wenn man ohnehin jederzeit kündigen könnte?

Diese Unsicherheit spiegelte sich auch in der Rechtsprechung wider. Verschiedene Oberlandesgerichte (OLG) hatten unterschiedlich geurteilt:

Das OLG Hamm (Urteil vom 02.07.2020 – 5 U 81/19) stellte hohe Hürden für einen Kündigungsausschluss auf.

Das OLG Naumburg (Urteil vom 25.01.2024 – 9 U 17/23), das über Hoffmanns Fall in der Berufung entschied, sah einen konkludenten Kündigungsausschluss – also eine stillschweigende Vereinbarung, nicht ordentlich zu kündigen – als gegeben an.

Das OLG Rostock (Beschluss vom 02.08.2023 – 3 U 37/22) betonte, dass Grundstückseigentümer nicht auf potenziell unbegrenzte Zeit ohne Entgelt gebunden werden dürften, gerade bei Formularverträgen (AGB) der Nutzer.

Klaus Hoffmanns Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Das Windpark-Unternehmen hatte ihn verklagt: Er solle die im Vertrag versprochenen Dienstbarkeiten (Nutzungsrechte) und Baulasten (öffentlich-rechtliche Duldungspflichten) wie vereinbart bewilligen und eintragen lassen. Hoffmann wehrte sich: Der Vertrag sei doch wirksam gekündigt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Klarheit im Klausel-Dschungel

Der BGH wies Hoffmanns Revision zurück und bestätigte die Urteile der Vorinstanzen: Die Kündigung war unwirksam. Der Vertrag besteht fort. Die Begründung der Karlsruher Richter ist eine Lektion in der Vertragsauslegung und liefert wichtige Leitlinien:

1. Nutzungsvertrag ist wie ein Mietvertrag zu behandeln

Zunächst bestätigte der BGH, dass solche Nutzungsverträge für Windenergieanlagen rechtlich wie Mietverträge zu behandeln sind. Das ist wichtig, weil damit die mietrechtlichen Vorschriften (§§ 535 ff. BGB) zur Anwendung kommen.

2. Die unsichere Zukunft: Aufschiebende Bedingung statt fester Termin

Der Kern der Sache: Wann beginnt die feste Laufzeit von 20 Jahren? Laut Vertrag erst mit Inbetriebnahme der letzten Anlage. Der BGH sagt: Das ist eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 1 BGB. Warum? Weil bei Vertragsschluss nicht nur ungewiss war, wann die Inbetriebnahme erfolgt, sondern auch, ob sie überhaupt jemals stattfindet (da die Genehmigung fehlte).

Juristendeutsch erklärt:

Aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB): Ein Vertrag oder ein Teil davon wird erst wirksam, wenn ein bestimmtes, unsicheres zukünftiges Ereignis eintritt. Beispiel: „Ich kaufe das Auto, wenn ich den Kredit bekomme.“

Befristung (§ 163 BGB): Die Wirkung eines Rechtsgeschäfts beginnt oder endet mit dem Eintritt eines sicheren zukünftigen Ereignisses, auch wenn der genaue Zeitpunkt noch offen ist. Beispiel: „Der Mietvertrag beginnt, sobald der Vormieter ausgezogen ist.“ (Dass er auszieht, ist hier als sicher angenommen).

Da die Inbetriebnahme unsicher war, lag eine Bedingung vor. Das bedeutet: Der Vertrag an sich war zwar ab Unterschrift gültig, die feste 20-jährige Laufzeit aber noch nicht aktiv. Bis zum Eintritt der Bedingung (Inbetriebnahme) war die Mietzeit also theoretisch unbestimmt.

3. Der Clou: Stillschweigender Ausschluss der Kündigung

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Auch wenn die Mietzeit theoretisch unbestimmt war, heißt das nicht automatisch, dass Klaus Hoffmann einfach kündigen konnte. Der BGH prüfte, ob die Parteien – wenn auch nicht ausdrücklich – vereinbart hatten, das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Zeit vor Baubeginn auszuschließen. Und genau das bejahten die Richter durch Auslegung des Vertrags:

§ 8 des Vertrages („Kündigung“): Diese Klausel sprach nur vom Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (z. B. Zahlungsverzug), das „unberührt“ bleibe. Sie erwähnte die ordentliche Kündigung nicht. Der BGH folgerte: Wenn nur die außerordentliche Kündigung erwähnt wird, soll die ordentliche Kündigung offenbar ausgeschlossen sein. Die Überschrift „Kündigung“ deute zudem darauf hin, dass hier die Kündigungsmöglichkeiten abschließend geregelt werden sollten.

§ 9 des Vertrages („Rücktritt“): Diese Klausel enthielt detaillierte Regeln, wann die Parteien vom Vertrag zurücktreten können, nämlich hauptsächlich, wenn die Genehmigung nach fünf Jahren (ggf. verlängert) nicht vorliegt oder bestandskräftig versagt wird. Der BGH argumentierte: Diese komplizierten Rücktrittregeln würden sinnlos, wenn der Grundstückseigentümer ohnehin jederzeit mit der normalen Kündigungsfrist aus dem Vertrag aussteigen könnte. Verträge legt man aber so aus, dass ihre Klauseln einen sinnvollen Zweck erfüllen.

Interessenlage: Der BGH betonte das erkennbare Interesse des Windpark-Betreibers: Er muss sich die Grundstücke langfristig sichern, bevor er das teure und langwierige Genehmigungsverfahren startet. Könnten die Landwirte währenddessen einfach kündigen, wäre die Projektplanung unmöglich und die Investition hochriskant. Dieses Interesse sei auch für den Landwirt erkennbar gewesen.

Fazit der Auslegung: Obwohl nicht explizit formuliert, ergab sich aus dem Zusammenspiel der Vertragsklauseln und der Interessenlage ein stillschweigender (konkludenter) Ausschluss der ordentlichen Kündigung für die Zeit bis zum Beginn der festen Laufzeit (also bis zur Inbetriebnahme).

4. Ist der Kündigungsausschluss fair? Die AGB-Kontrolle

Klaus Hoffmann hatte den Vertrag nicht selbst ausgehandelt, sondern ein vom Unternehmen gestelltes Formular unterschrieben. Solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterliegen einer strengen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Benachteiligt eine Klausel den Vertragspartner unangemessen, ist sie unwirksam. War der Kündigungsausschluss für Hoffmann unfair?

Der BGH verneinte dies:

Keine unangemessene Benachteiligung: Zwar muss der Landwirt warten und bekommt zunächst kein Geld. Aber:

Er kann sein Grundstück während der Wartezeit weiter landwirtschaftlich nutzen. Die Pflichten beschränken sich im Wesentlichen darauf, das Grundstück für den Fall der Genehmigung bereitzuhalten und kleinere Vorarbeiten (wie Untersuchungen) zu dulden. Erst mit Baubeginn muss er die Fläche tatsächlich zur Verfügung stellen.

Er ist nicht ewig gebunden: Das Rücktrittsrecht nach § 9 (nach 5 Jahren ohne Genehmigung, mit Verlängerungsoptionen) schützt ihn vor einer unendlichen Hängepartie. Der BGH hielt diese Frist angesichts der Komplexität von Genehmigungsverfahren für angemessen.

Sollte der Betreiber den Baubeginn nach erteilter Genehmigung schuldhaft verzögern, stehen dem Landwirt andere Mittel zur Verfügung (ggf. Schadensersatz oder sogar außerordentliche Kündigung).

Auch eine unzählige Verzögerung zwischen Baubeginn und Inbetriebnahme ist begrenzt: Der Vertrag sah vor, dass spätestens sechs Monate nach Baubeginn eine Mindestentschädigung fällig wird.

Der Landwirt kann sein Grundstück weiterhin verkaufen, der Vertrag geht dann auf den Käufer über (§ 566 BGB analog).

Die Richter kamen zum Schluss: Der Vertrag berücksichtigt die Interessen beider Seiten angemessen. Der Windpark-Betreiber erhält die nötige Planungssicherheit, der Landwirt wird nicht über Gebühr belastet und hat Ausstiegsmöglichkeiten bei überlangen Verzögerungen. Der Kündigungsausschluss hält daher der AGB-Kontrolle stand.

Klaus Hoffmanns Realität nach dem Urteil

Für unseren fiktiven Landwirt Klaus Hoffmann bedeutet das BGH-Urteil: Er ist weiterhin an den Vertrag gebunden. Seine Kündigung war unwirksam. Er muss die Eintragung der Dienstbarkeiten und Baulasten dulden, wie im Vertrag vorgesehen.

Ist das ungerecht? Nicht unbedingt. Er hat jetzt Klarheit. Er weiß, dass er nicht einfach aussteigen kann, solange das Projekt im Rahmen der vertraglich vereinbarten (und vom BGH als fair bewerteten) Fristen verfolgt wird. Seine Hoffnungen ruhen nun auf zwei Szenarien:

  • Die Genehmigung wird erteilt und der Bau beginnt. Dann erhält er endlich die vereinbarte Pacht.
  • Die Genehmigung bleibt auch nach Ablauf der 5-Jahres-Frist (und eventueller Verlängerungen) aus oder wird endgültig versagt. Dann kann er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen und ist aus dem Vertrag entlassen.

Bis dahin kann er seinen Acker weiter, wie gewohnt bewirtschaften. Die Wartezeit ist frustrierend, aber sie ist Teil des „Deals“, den er eingegangen ist – ein Deal, der ihm im Erfolgsfall über 20 Jahre ein zusätzliches Einkommen sichert.

Was das Urteil für Landwirte und die Windkraftbranche bedeutet

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Folgen:

Mehr Rechtssicherheit für Projektentwickler: Sie können nun verlässlicher planen und investieren, da das Risiko frühzeitiger Kündigungen durch Grundstückseigentümer während der langen Genehmigungsphase deutlich reduziert ist (sofern die Verträge ähnlich gestaltet sind). Das ist wichtig für das Gelingen der Energiewende.

Stärkung langfristiger Verträge: Das Urteil unterstreicht die grundsätzliche Bindungswirkung von Verträgen, auch wenn sie auf lange Sicht angelegt sind und von unsicheren Bedingungen abhängen.

Die Wichtigkeit klarer Vertragsgestaltung: Es wird noch deutlicher, wie entscheidend präzise Formulierungen sind, insbesondere bei Rücktritt- und Kündigungsrechten sowie bei der Definition von Fristen und Bedingungen.

Kein Freibrief für Entwickler: Das Urteil bedeutet nicht, dass Landwirte schutzlos sind. Die AGB-Kontrolle bleibt bestehen. Unfaire Klauseln, etwa unendlich lange Bindungsfristen ohne Ausstiegsmöglichkeit oder Entgelt, wären weiterhin angreifbar.

Praktische Tipps für Grundstückseigentümer

Wer als Landwirt oder anderer Grundstückseigentümer einen Nutzungsvertrag für Windenergieanlagen angeboten bekommt oder bereits unterschrieben hat, sollte Folgendes beachten:

  • Vertrag genau prüfen: Lesen Sie das gesamte Dokument sorgfältig, nicht nur die Höhe der Pacht. Achten Sie besonders auf Klauseln zur Laufzeit, zum Beginn der Zahlungen, zu Kündigungs- und Rücktrittsrechten sowie zu Fristen für Genehmigungen und Baubeginn.
  • AGB-Charakter beachten: Wenn der Vertrag vom Unternehmen gestellt wird (was die Regel ist), handelt es sich um AGB. Diese müssen fair sein.
  • Unterschiede verstehen: Machen Sie sich den Unterschied klar zwischen dem Beginn der Vertragsgültigkeit (meist ab Unterschrift) und dem Beginn der festen Laufzeit bzw. der Zahlungspflicht* (oft erst ab Baubeginn oder Inbetriebnahme).
  • Ausstiegsklauseln prüfen: Gibt es klare Regelungen, wann Sie vom Vertrag zurücktreten können, wenn das Projekt nicht vorankommt? Sind die Fristen realistisch und fair?
  • Verhandlungsspielraum nutzen: Auch wenn es Formularverträge sind, besteht manchmal Spielraum für individuelle Anpassungen. Fragen Sie nach, wenn Ihnen etwas unklar oder unfair erscheint. Vielleicht lässt sich eine initiale Bereitstellungsprämie oder eine kürzere Frist für das Rücktrittsrecht aushandeln.
  • Rechtsrat einholen: Bevor Sie einen solch langfristigen Vertrag unterschreiben, ist es ratsam, ihn von einem auf Landwirtschafts- oder Energierecht spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen. Die Kosten dafür sind gut investiertes Geld im Vergleich zu möglichen späteren Ärgernissen.

FAQ: Häufige Fragen zum BGH-Urteil und Windkraft-Verträgen

Hier sind Antworten auf einige der drängendsten Fragen, die sich aus dem Urteil ergeben:

Kann ich meinen Windkraft-Nutzungsvertrag jetzt generell nicht mehr vor Baubeginn kündigen?

Nicht generell. Es kommt auf die genaue Formulierung Ihres Vertrages an. Wenn Ihr Vertrag aber ähnlich wie der im BGH-Fall gestaltet ist (also nur außerordentliche Kündigung erwähnt und detaillierte Rücktrittsregeln enthält), ist eine ordentliche Kündigung vor Baubeginn/Inbetriebnahme sehr wahrscheinlich ausgeschlossen.

Was passiert, wenn die Genehmigung für die Windanlage nie erteilt wird? Bin ich dann ewig gebunden?

Nein. Verträge wie der im BGH-Fall enthalten in der Regel ein Rücktrittsrecht für den Grundstückseigentümer, wenn die Genehmigung nicht innerhalb einer bestimmten Frist (oft 5 Jahre, ggf. verlängert durch Rechtsmittelverfahren) erteilt wird oder endgültig scheitert. Prüfen Sie Ihren Vertrag auf solche Klauseln.

Bekomme ich Geld für die Zeit, in der ich auf den Baubeginn warte?

Meistens nicht. Üblich ist, dass die Nutzungsentschädigung erst mit Baubeginn oder Inbetriebnahme fällig wird. Der BGH hält dies für zulässig, solange der Eigentümer das Land weiter nutzen kann und faire Rücktrittrechte hat. Manche Verträge sehen aber auch geringe Bereitstellungsentgelte vor – das ist Verhandlungssache.

Ist es unfair, dass ich jahrelang gebunden bin, ohne Geld zu sehen?

Der BGH sagt: Nicht per se unfair, wenn die Gesamtgestaltung des Vertrages (Nutzungsmöglichkeit, Rücktrittsrecht, spätere Pachtchance) die Interessen angemessen ausgleicht. Ob eine Klausel im Einzelfall unangemessen ist, hängt aber immer von den konkreten Umständen ab.

Der Windpark-Betreiber hält sich nicht an Absprachen oder verzögert alles absichtlich. Was kann ich tun?

Das Recht zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung aus wichtigem Grund bleibt immer bestehen. Wenn der Betreiber seine Pflichten grob verletzt oder den Baubeginn nach Genehmigung schuldhaft hinauszögert, können Sie unter Umständen fristlos kündigen oder Schadensersatz fordern. Hier ist aber dringend Rechtsrat einzuholen.

Was sollte in einem fairen Nutzungsvertrag unbedingt drinstehen?

Klare Definition des Vertragsgegenstands, realistische Fristen für Genehmigung und Baubeginn, eindeutige Regelungen zur Pacht (Höhe, Fälligkeit, Anpassung), klare Kündigungs- und vor allem Rücktrittsrechte für beide Seiten bei Scheitern oder erheblicher Verzögerung des Projekts, Regelungen zu Sicherheiten und Versicherungen.

Gilt das BGH-Urteil auch für Solarpark-Verträge?

Das Urteil betraf einen Windkraft-Vertrag. Die Grundsätze der Vertragsauslegung (Bedingung vs. Befristung, konkludenter Kündigungsausschluss, AGB-Kontrolle) sind aber übertragbar. Es ist wahrscheinlich, dass ähnliche Klauseln in Solarpark-Verträgen von Gerichten ähnlich bewertet werden, auch wenn die spezifischen Interessenlagen leicht abweichen können.

Fazit: Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist mehr als nur die Entscheidung eines Einzelfalls. Es setzt einen wichtigen Orientierungspunkt im Spannungsfeld zwischen den Interessen von Grundstückseigentümern und den Notwendigkeiten der Energiewende. Es bestätigt, dass die für den Ausbau erneuerbarer Energien erforderliche langfristige Planungssicherheit vertraglich abgesichert werden kann, ohne die Landwirte unangemessen zu benachteiligen – vorausgesetzt, die Verträge sind ausgewogen gestaltet und enthalten faire Ausstiegsklauseln für den Fall des Scheiterns.

Für Landwirte wie Hoffmann bedeutet dies, dass sie sich auf die langfristige Natur solcher Verträge einstellen müssen. Gleichzeitig zeigt das Urteil aber auch die Grenzen auf: Eine unendliche, unentgeltliche Bindung ist nicht zulässig. Die im Vertrag verankerten Schutzmechanismen wie das Rücktrittsrecht nach einer angemessenen Wartefrist gewinnen damit an Bedeutung. Wer heute vor der Entscheidung steht, einen solchen Vertrag zu unterschreiben, ist gut beraten, genau hinzusehen und sich im Zweifel fachkundigen Rat zu holen. Denn ein Vertrag ist eben ein Vertrag – mit allen Rechten und Pflichten, die er für beide Seiten über viele Jahre begründet.

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