Urteil vom Bundesgerichtshof schafft Klarheit:
Vorkaufsrecht ist nicht gleich Vorkaufsrecht – Umwandlung dinglich zu persönlich unzulässig
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) sorgt für Aufsehen und Klarheit im komplexen Feld des Immobiliarsachenrechts. Die Richter entschieden, dass ein sogenanntes subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht nicht einfach in ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht umgewandelt werden kann. Diese Entscheidung betrifft eine in der juristischen Fachwelt umstrittene Frage und hat weitreichende Konsequenzen für Grundstückseigentümer und Vorkaufsberechtigte.
Übersicht
- 1 Vorkaufsrecht ist nicht gleich Vorkaufsrecht – Umwandlung dinglich zu persönlich unzulässig
- 2 Das Wichtigste: Kurz & knapp
- 2.1 Was sind Vorkaufsrechte und warum sind sie relevant?
- 2.2 Subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht
- 2.3 Subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht
- 2.4 Beispiele der Vorkaufsrechte
- 2.5 Der Fall vor dem BGH: Wunsch nach Umwandlung scheitert
- 2.6 Die Begründung des BGH: Inhaberschaft statt Inhaltsänderung
- 2.7 Der springende Punkt: Unterschiedliche sachenrechtliche Typen
- 2.8 § 1103 Abs. 1 BGB als weiteres Argument
- 2.9 Konsequenzen des Urteils: Aufhebung und Neubestellung erforderlich
- 3 Benötigen Sie Hilfe?

Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Es gibt zwei Haupttypen von Vorkaufsrechten:
1. Subjektiv-dinglich: An das Grundstück gebunden, wechselt automatisch mit dem Eigentümer.
2. Subjektiv-persönlich: An eine bestimmte Person gebunden, nicht automatisch übertragbar. - Das aktuelle BGH-Urteil stellt klar, dass eine Umwandlung von einem dinglichen in ein persönliches Vorkaufsrecht nicht als bloße Inhaltsänderung gemäß § 877 BGB möglich ist.
- Eine gewünschte Umwandlung erfordert die vollständige Aufhebung des bestehenden Vorkaufsrechts und die Neubestellung eines persönlichen Vorkaufsrechts.
- Durch die Neubestellung kann ein Rangverlust im Grundbuch entstehen, was bei Zwangsversteigerungen oder bei der Befriedigung anderer dinglicher Rechte nachteilig sein kann.
- Praktischer Hinweis: Bereits bei der Begründung sollte klar festgelegt werden, ob ein Grundstücksbezogenes oder ein personenbezogenes Vorkaufsrecht gewünscht ist, um spätere rechtliche Probleme zu vermeiden.
Was sind Vorkaufsrechte und warum sind sie relevant?
Vorkaufsrechte sind im deutschen Recht ein wichtiges Instrument, um bestimmten Personen oder Institutionen das Recht einzuräumen, in einen Kaufvertrag über ein Grundstück oder eine Immobilie einzutreten, bevor ein anderer Käufer zum Zuge kommt. Sie geben dem Berechtigten die Möglichkeit, ein Objekt zu den gleichen Bedingungen zu erwerben, die ein Dritter mit dem Verkäufer ausgehandelt hat.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Haupttypen von Vorkaufsrechten:
Subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht
Dieses Recht ist untrennbar mit einem bestimmten Grundstück verbunden. Es kommt dem jeweiligen Eigentümer dieses Grundstücks zugute. Wird das begünstigte Grundstück verkauft, geht das Vorkaufsrecht automatisch auf den neuen Eigentümer über. Man spricht hier auch von einem „Grundstücksbezogenen“ oder „realen“ Vorkaufsrecht. Typischerweise wird ein solches Recht eingeräumt, um nachbarliche Interessen zu schützen oder die Entwicklung eines Gebiets zu steuern.
Subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht
Im Gegensatz dazu ist dieses Recht an eine bestimmte, namentlich genannte Person gebunden. Es ist nicht an ein Grundstück geknüpft und kann in der Regel weder vererbt noch übertragen werden, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart. Man spricht hier auch von einem „personenbezogenen“ oder „obligatorischen“ Vorkaufsrecht. Solche Rechte werden oft aus persönlichen oder familiären Gründen eingeräumt, beispielsweise zwischen Verwandten oder Geschäftspartnern.
Beispiele der Vorkaufsrechte
- Szenario 1 (Subjektiv-dinglich): Stellen Sie sich vor, zwei Nachbargrundstücke liegen nebeneinander. Grundstück A möchte sicherstellen, dass der Charakter der Nachbarschaft erhalten bleibt und potenzielle Käufer von Grundstück B in einem gewissen Rahmen passen. Daher wird zugunsten des jeweiligen Eigentümers von Grundstück A ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht an Grundstück B im Grundbuch eingetragen. Verkauft nun der Eigentümer von Grundstück A sein Grundstück, geht das Vorkaufsrecht automatisch auf den neuen Eigentümer von Grundstück A über.
- Szenario 2 (Subjektiv-persönlich): Familie Müller verkauft ihr Haus an einen Fremden. Dem befreundeten Nachbarn Herrn Schmidt möchte Familie Müller aber die Option geben, das Haus zu kaufen, falls der Fremde es später wieder verkaufen möchte. Daher wird Herrn Schmidt ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht eingeräumt. Verzieht Herr Schmidt in eine andere Stadt, erlischt sein Vorkaufsrecht, da es an seine Person gebunden ist.“
Der Fall vor dem BGH: Wunsch nach Umwandlung scheitert
Der konkrete Fall, der vor dem 5. Zivilsenat des BGH landete (Beschl. v. 23.01.2025, Az. V ZB 10/24), verdeutlicht die praktische Relevanz dieser Unterscheidung. Im vorliegenden Fall war ein Grundstück mit einem subjektiv-dinglichen Vorkaufsrecht zugunsten des Eigentümers eines Nachbargrundstücks belastet. Die Eigentümer beider Grundstücke wollten dieses bestehende Vorkaufsrecht jedoch in ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht umwandeln. Der Plan war, dass das Recht zwar weiterhin der aktuellen Vorkaufsberechtigten zustehen sollte, aber eben nur ihr persönlich und nicht mehr dem jeweiligen Eigentümer ihres Grundstücks. Zusätzlich sollte das Recht unvererblich und unübertragbar ausgestaltet werden.
Dieser Antrag auf Änderung wurde jedoch vom zuständigen Grundbuchamt abgelehnt. Auch die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht München und die anschließende Rechtsbeschwerde vor dem BGH blieben erfolglos. Der BGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen und wies die Rechtsbeschwerde zurück.
Die Begründung des BGH: Inhaberschaft statt Inhaltsänderung
Der BGH begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die gewünschte Umwandlung keine bloße „Inhaltsänderung“ im Sinne von § 877 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstellt. § 877 BGB erlaubt es grundsätzlich, den Inhalt eines dinglichen Rechts (wie eines Vorkaufsrechts) durch Vereinbarung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten zu ändern.
Die Richter argumentierten jedoch, dass die Umwandlung von einem subjektiv-dinglichen in ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht tiefergreifender ist als eine reine Anpassung des Inhalts. Sie betrifft vielmehr die Inhaberschaft des Rechts.
Der springende Punkt: Unterschiedliche sachenrechtliche Typen
Ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht ist ein Recht, das *automatisch* mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden ist. Es „klebt“ sozusagen am Grundstück und wechselt den Inhaber, wenn das Grundstück verkauft wird. Ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht hingegen ist ein *persönliches* Recht, das einer bestimmten Person zusteht, unabhängig davon, ob sie ein Grundstück besitzt oder nicht.
Der BGH stellte klar, dass diese beiden Vorkaufsrechtstypen grundlegend verschieden sind und nicht einfach ineinander umgewandelt werden können. Es handelt sich um unterschiedliche „sachenrechtliche Typen“. Eine Umwandlung würde den sachenrechtlichen Typ des Rechts ändern, was über eine bloße Inhaltsänderung hinausgeht.
§ 1103 Abs. 1 BGB als weiteres Argument
Zusätzlich verwies der BGH auf § 1103 Abs. 1 BGB. Diese Norm besagt, dass ein Vorkaufsrecht, das zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks besteht, nicht von dem Eigentum an diesem Grundstück getrennt werden kann. Die gewünschte Umwandlung in ein subjektiv-persönliches Recht hätte aber genau diese Trennung bewirkt. Das dingliche Vorkaufsrecht wäre vom Grundstück „abgelöst“ und zu einem persönlichen Recht der aktuellen Eigentümerin geworden. Dies wäre unvereinbar mit § 1103 Abs. 1 BGB.
Konsequenzen des Urteils: Aufhebung und Neubestellung erforderlich
Die Entscheidung des BGH hat zur Folge, dass eine Umwandlung von einem subjektiv-dinglichen in ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht nur durch einen „radikalen“ Schritt möglich ist: die Aufhebung des bestehenden dinglichen Vorkaufsrechts und die anschließende Neubestellung eines persönlichen Vorkaufsrechts.
Dies hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Das neu bestellte persönliche Vorkaufsrecht verliert seinen ursprünglichen Rang im Grundbuch. Im Grundbuch werden Rechte in einer bestimmten Rangfolge eingetragen. Ältere Rechte haben in der Regel Vorrang vor jüngeren Rechten. Durch die Aufhebung und Neubestellung kann das persönliche Vorkaufsrecht im Rang hinter später eingetragenen Rechten zurückfallen.
Um dies zu verdeutlichen, ein Beispiel: Angenommen, auf dem Grundstück lasten bereits eine ältere Hypothek (Rang 1) und ein später eingetragenes Wegerecht (Rang 2). Das ursprüngliche dingliche Vorkaufsrecht hatte Rang 3. Wird es nun aufgehoben und als persönliches Vorkaufsrecht neu bestellt, könnte es im Rang hinter Rechte zurückfallen, die nach dem ursprünglichen Vorkaufsrecht, aber vor der Neubestellung eingetragen wurden (z.B. Rang 4 oder noch niedriger).
Was bedeutet das in der Praxis? Bei einer Zwangsversteigerung bedeutet ein niedrigerer Rang, dass der Vorkaufsberechtigte möglicherweise leer ausgeht, wenn der Erlös nicht ausreicht, um alle vorrangigen Rechte zu befriedigen.
Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn das belastete Grundstück später zwangsversteigert wird oder andere dingliche Rechte (z.B. Hypotheken) im Spiel sind.
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Praktische Hinweise und Empfehlungen
Das BGH-Urteil unterstreicht die Wichtigkeit, sich bereits bei der Begründung eines Vorkaufsrechts über die gewünschte Ausgestaltung und den Zweck des Rechts im Klaren zu sein. Sollen nachbarliche Interessen grundstücksbezogen geschützt werden, ist ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht das Mittel der Wahl. Geht es hingegen um persönliche oder familiäre Interessen, die an eine bestimmte Person gebunden sind, sollte von Anfang an ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht bestellt werden.
Für Grundstückseigentümer und Vorkaufsberechtigte bedeutet dies:
- Bestehende dingliche Vorkaufsrechte können nicht einfach in persönliche Rechte umgewandelt werden. Wer eine solche Änderung wünscht, muss das bestehende Recht aufheben und ein neues persönliches Vorkaufsrecht bestellen.
- Dies kann zu einem Rangverlust im Grundbuch führen. Dieser Aspekt sollte sorgfältig geprüft und abgewogen werden, insbesondere im Hinblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen des Grundstücks.
- Eine umfassende Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Notar im Immobilienrecht ist dringend zu empfehlen, um die optimale Gestaltung des Vorkaufsrechts zu wählen und mögliche Risiken zu vermeiden.
Fazit: Klare Abgrenzung für mehr Rechtssicherheit
Das BGH-Urteil mag für einige Beteiligte, die eine einfache Umwandlung angestrebt hatten, zunächst unerfreulich sein. Es schafft aber wichtige Klarheit und Rechtssicherheit im Immobiliarsachenrecht. Die Entscheidung verdeutlicht die fundamentalen Unterschiede zwischen den beiden Vorkaufsrechtstypen und stellt klar, dass eine Umwandlung nicht im Wege einer bloßen Inhaltsänderung möglich ist. Dies trägt dazu bei, die Systematik des Sachenrechts zu wahren und unerwünschte Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Gestaltung von Vorkaufsrechten noch sorgfältiger auf die gewünschte Form und die damit verbundenen Konsequenzen geachtet werden muss.
Erklärung in einfachen Worten!
Stellen Sie sich vor, ein Vorkaufsrecht ist wie ein Reservierungszettel für ein Grundstück. Ein dinglicher Reservierungszettel ist am Grundstück selbst befestigt und geht beim Verkauf des Nachbargrundstücks automatisch mit auf den neuen Besitzer. Ein persönlicher Reservierungszettel ist hingegen nur für eine bestimmte Person gültig, wie ein Gutschein, der nicht übertragbar ist. Der BGH hat nun entschieden, dass man einen dinglichen Reservierungszettel nicht einfach in einen persönlichen umwandeln kann. Das ist wie der Versuch, ein Bahnticket erster Klasse in einen persönlichen Geschenkgutschein umzuwandeln – das geht nicht, weil es zwei verschiedene Dinge sind.