Nachbarschaftsstreitigkeiten fangen oft klein an – und enden nicht selten vor Gericht. Ein aktueller Fall um simple Bohrlöcher in einer Reihenhauswand zeigt, wie schnell aus einer vermeintlichen Lappalie ein handfester Konflikt werden kann, der bis zum Bundesgerichtshof eskaliert. Dieses Urteil betrifft uns alle, die wir in Reihenhäusern oder Eigentumswohnungen leben, und klärt endlich die Frage: Wann ist Bohren an der Wand zum Nachbarn erlaubt – und wann absolut tabu?
Übersicht
- 1 Das Wichtigste: Kurz & knapp
- 2 Bohren erlaubt? Das steckt hinter dem Streit an der Reihenhauswand
- 3 Der Fall, der vor Gericht landete: eine Markise und ungefragte Bohrlöcher
- 4 Von Amtsgericht bis Bundesgerichtshof: Der Rechtsweg
- 5 Das Urteil des BGH: Es kommt auf die Wand an!
- 6 Benötigen Sie Hilfe?
- 7 Was bedeutet das Urteil für Reihenhausbewohner und Eigentümer?
- 8 Streit vermeiden: Tipps für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis

Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Streitpunkt Bohren: Wer im Reihenhaus wohnt, kennt das Problem: Darf ich einfach in die Wand zum Nachbarn bohren? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) liefert wichtige Antworten.
- Entscheidend ist die Wandart: Ob Bohren erlaubt ist, hängt maßgeblich davon ab, ob es sich um eine Grenzwand oder eine Nachbarwand handelt.
- Grenzwand = „Meine“ Wand an der Grenze: Sie steht auf Ihrem Grundstück und gehört Ihnen allein, auch wenn sie direkt an der Grundstücksgrenze steht. Ihr Nachbar hat hier grundsätzlich kein Nutzungsrecht ohne Ihre Erlaubnis. Bohren ohne Erlaubnis ist tabu!
- Nachbarwand = „Gemeinsame“ Wand auf der Grenze: Sie steht auf der Grundstücksgrenze und gehört beiden Nachbarn gemeinsam. Hier dürfen beide Seiten die Wand nutzen, solange der Nachbar nicht beeinträchtigt wird. Bohren auf Ihrer Seite ist hier eher möglich, aber Rücksichtnahme wichtig.
- Vor dem Bohren prüfen und fragen: Klären Sie, um welche Wandart es sich handelt. Im Zweifel: Immer zuerst den Nachbarn fragen und Erlaubnis einholen!
- Kommunikation ist der Schlüssel: Offene Gespräche mit den Nachbarn helfen, Streit zu vermeiden und ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu pflegen.
Bohren erlaubt? Das steckt hinter dem Streit an der Reihenhauswand
Ein kleiner Bohrer, ein großes Problem? Wer in einem Reihenhaus wohnt, kennt das vielleicht: Man möchte mal eben ein Bild aufhängen, eine Lampe anbringen oder ein Kabel verlegen. Doch was, wenn die Wand, in die man bohren möchte, direkt an das Nachbarhaus grenzt? Darf man da einfach loslegen, oder muss man vorher den Nachbarn fragen?
Genau um diese Frage ging es in einem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete, dem höchsten deutschen Gericht für Zivil- und Strafrecht. Das Urteil vom 12.11.2021 (Az. V ZR 25/21) der Karlsruher Richter hat für alle Reihenhausbewohner und Eigentümergemeinschaften eine wichtige Bedeutung. Es geht darum, wann man in eine Wand bohren darf, die zum Nachbarn hin ausgerichtet ist, und welche Arten von Wänden es dabei überhaupt gibt.
Dieser Artikel erklärt Ihnen verständlich und ohne Juristen-Kauderwelsch, was der BGH entschieden hat, was Grenzwände und Nachbarwände sind, und was das Urteil für Sie als Reihenhausbewohner oder Wohnungseigentümer konkret bedeutet. Wir beleuchten die Hintergründe des Urteils, erklären die rechtlichen Feinheiten und geben Ihnen praktische Tipps, wie Sie Streitigkeiten mit Ihren Nachbarn vermeiden können, bevor der Bohrer überhaupt zum Einsatz kommt.
Der Fall, der vor Gericht landete: eine Markise und ungefragte Bohrlöcher
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einem gemütlichen Reihenhaus. Ihr Nachbarhaus steht leicht versetzt zu Ihrem, und Ihre Terrasse grenzt direkt an die Außenwand des Nachbarn. Dieser Nachbar hatte eine tolle Idee: Er wollte eine elektrische Markise anbringen, um seine Terrasse im Sommer vor der Sonne zu schützen. Um den Strom für die Markise anzuschließen, musste ein Kabelkanal verlegt werden. Und wo sollte dieser Kanal entlangführen? Natürlich an der Außenwand seines Hauses, die gleichzeitig die Grenze zu Ihrem Grundstück bildet.
Ohne lange zu überlegen, griff der Nachbar zum Bohrer und verpasste der Wand kurzerhand ein paar Löcher, um den Kabelkanal zu befestigen. Was er dabei nicht bedachte: Diese Wand war nicht einfach nur „seine“ Wand. Sie stand zwar auf seinem Grundstück, bildete aber gleichzeitig die Grenze zum Nachbargrundstück.
Als der „angebohrte“ Nachbar die Löcher in „seiner“ Wand entdeckte, war er alles andere als begeistert. Er fühlte sich in seinem Eigentum verletzt und verlangte, dass der Nachbar die Bohrlöcher wieder verschließt und den ursprünglichen Zustand der Wand wiederherstellt. Da die beiden Nachbarn sich nicht einigen konnten, landete der Fall schließlich vor Gericht.
Von Amtsgericht bis Bundesgerichtshof: Der Rechtsweg
Der Streit um die Bohrlöcher zog sich durch mehrere Instanzen. Zuerst befasste sich das Amtsgericht mit dem Fall, dann das Landgericht München II. Beide Gerichte gaben dem „angebohrten“ Nachbarn Recht. Sie entschieden, dass der „bohrende“ Nachbar kein Recht hatte, ohne Erlaubnis in die Wand zu bohren und die Bohrlöcher beseitigen muss.
Doch der „bohrende“ Nachbar gab nicht auf und legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Er argumentierte, dass es sich doch schließlich um „seine“ Wand handele und er damit machen könne, was er wolle. Der BGH musste nun entscheiden, ob die Vorinstanzen richtig entschieden hatten.
Das Urteil des BGH: Es kommt auf die Wand an!
Der BGH bestätigte im November 2021 das Urteil der Vorinstanzen (Urteil vom 12.11.2021, Az. V ZR 25/21). Die obersten Richter stellten klar: Es kommt entscheidend darauf an, um welche Art von Wand es sich handelt. Im konkreten Fall handelte es sich um eine sogenannte „Grenzwand“, und nicht um eine „Nachbarwand“. Dieser feine, aber juristisch bedeutsame Unterschied ist der Schlüssel zum Verständnis des Urteils.
Grenzwand vs. Nachbarwand: Was ist der Unterschied?
Um das Urteil des BGH zu verstehen, müssen wir uns mit den Begriffen „Grenzwand“ und „Nachbarwand“ vertraut machen. Auch wenn sie ähnlich klingen, bezeichnen sie rechtlich unterschiedliche Arten von Mauern zwischen zwei Grundstücken.
Die Grenzwand: Eigentum auf der Grenze
Eine Grenzwand ist eine Außenwand eines Gebäudes, die direkt an der Grundstücksgrenze steht. Im Fall des Reihenhauses in Bayern handelte es sich um eine solche Grenzwand. Das Besondere an der Grenzwand: Sie steht zwar direkt an der Grenze, gehört aber rechtlich nur dem Eigentümer des Hauses, zu dem sie gehört. Der Nachbar hat an dieser Wand kein Eigentum.
Man kann sich eine Grenzwand wie eine Art „eigene“ Mauer direkt an der Grundstücksgrenze vorstellen. Sie steht auf Ihrem Grundstück und ist Teil Ihres Hauses, aber sie bildet gleichzeitig die Abgrenzung zum Nachbargrundstück. Da die Grenzwand alleiniges Eigentum ist, hat der Nachbar grundsätzlich kein Recht, sie ohne Erlaubnis zu nutzen oder zu verändern.
Die Nachbarwand: Gemeinsame Sache
Anders verhält es sich bei einer Nachbarwand. Eine Nachbarwand ist eine Mauer, die auf der Grenze zwischen zwei Grundstücken steht und beiden Nachbarn gemeinsam dient. Sie ist wesentlicher Bestandteil beider Gebäude und trägt in der Regel beide Häuser. Ohne die Nachbarwand würden beide Häuser nicht mehr sicher stehen.
Die Nachbarwand ist also eine „gemeinsame“ Einrichtung, die beiden Nachbarn gehört und von beiden genutzt werden darf. Sie ist mehr als nur eine Abgrenzung, sie ist ein tragendes Element beider Gebäude. Denken Sie an ältere Doppelhaushälften oder Fachwerkhäuser, bei denen die mittlere Wand oft eine gemeinsame Wand ist.
Zusammenfassend kann gesagt werden:
- Grenzwand: Steht auf der Grenze, gehört einem Nachbarn allein.
- Nachbarwand: Steht auf der Grenze, gehört beiden Nachbarn gemeinsam.
Warum ist der Unterschied so wichtig?
Der Unterschied zwischen Grenzwand und Nachbarwand ist entscheidend für die Frage, wer was an der Wand machen darf. Der BGH stellte in seinem Urteil klar: Nur bei einer Nachbarwand haben beide Nachbarn das Recht, die Wand auf ihrer Seite zu nutzen. Bei einer Grenzwand hingegen hat der Nachbar, dem die Wand nicht gehört, kein automatisches Nutzungsrecht.
Im Klartext:
- Nachbarwand: Hier dürfen beide Nachbarn die Wand auf ihrer Seite „frei benutzen“, solange sie den anderen nicht beeinträchtigen. Das bedeutet: Streichen, bepflanzen, Leitungen verlegen – alles erlaubt, solange es rücksichtsvoll geschieht.
- Grenzwand: Hier hat der Nachbar, dem die Wand nicht gehört, grundsätzlich nichts zu suchen. Bohren, Dübeln, Nägel einschlagen – alles tabu, ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Eigentümers.
Im Fall des Reihenhauses handelte es sich laut Gericht um eine Grenzwand. Die Außenmauern der beiden Häuser waren durch eine Fuge getrennt, standen also nicht direkt aufeinander. Damit war klar: Die Wand gehörte allein dem Nachbarn, der sie errichten ließ. Der „bohrende“ Nachbar hätte also vorher fragen müssen, bevor er Löcher in die Wand bohrt. Da er das nicht tat, hatte der „angebohrte“ Nachbar Recht auf Beseitigung.
Benötigen Sie Hilfe?
Streit ums Bohren an der Reihenhauswand? Gewinnen Sie Klarheit!
Stehen Sie gerade vor der Frage, ob das Bohren an Ihrer Reihenhauswand zum Streitfall mit dem Nachbarn wird? Sind Sie unsicher, welche Rechte Sie haben und wie Sie am besten vorgehen sollen? Lassen Sie sich nicht von Unsicherheit und möglichen Konflikten ausbremsen. Unsere Kanzlei unterstützt Sie mit fundierter Expertise im Nachbarrecht, um Ihre Situation rechtlich korrekt einzuschätzen.
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Was bedeutet das Urteil für Reihenhausbewohner und Eigentümer?
Das Urteil des BGH mag auf den ersten Blick nach einer juristischen Spitzfindigkeit klingen. Aber es hat sehr praktische Auswirkungen für alle, die in einem Reihenhaus oder in einer Eigentumswohnung mit Grenzwänden wohnen.
Die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst:
- Prüfen Sie, um welche Art von Wand es sich handelt: Bevor Sie in eine Wand bohren, die an das Nachbargrundstück grenzt, sollten Sie genau prüfen, ob es sich um eine Grenzwand oder eine Nachbarwand handelt. Im Zweifel sollten Sie immer davon ausgehen, dass es eine Grenzwand ist, und lieber einmal zu viel fragen als einmal zu wenig bohren.
- Fragen Sie Ihren Nachbarn um Erlaubnis: Wenn Sie in eine Grenzwand bohren möchten, die Ihrem Nachbarn gehört, holen Sie sich unbedingt vorher dessen Erlaubnis ein. Am besten schriftlich, um späteren Streit zu vermeiden. Erklären Sie Ihrem Nachbarn genau, was Sie vorhaben und warum. Oftmals ist es hilfreich, Kompromissbereitschaft zu zeigen und gemeinsam eine Lösung zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist.
- Seien Sie rücksichtsvoll bei Nachbarwänden: Auch wenn Sie bei einer Nachbarwand mehr Rechte haben, sollten Sie immer rücksichtsvoll vorgehen und Ihren Nachbarn nicht unnötig beeinträchtigen. Kündigen Sie größere Maßnahmen an und versuchen Sie, Lärm und Schmutz so gering wie möglich zu halten.
- Beachten Sie die Landesnachbarrechtsgesetze: In Deutschland regeln die Nachbarrechtsgesetze der einzelnen Bundesländer viele Details des nachbarschaftlichen Zusammenlebens, auch im Bezug auf Mauern und Zäune. Informieren Sie sich über die Regelungen in Ihrem Bundesland, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden.
- Kommunikation ist der Schlüssel: Viele Nachbarschaftsstreitigkeiten entstehen aus Missverständnissen und mangelnder Kommunikation. Reden Sie miteinander! Wenn Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Nachbarn pflegen, lassen sich viele Probleme im Vorfeld lösen, bevor sie vor Gericht landen.
Streit vermeiden: Tipps für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis
Der Fall der Bohrlöcher im Reihenhaus zeigt, wie schnell aus einer vermeintlichen Kleinigkeit ein handfester Streit entstehen kann. Dabei lassen sich viele Konflikte durch gegenseitige Rücksichtnahme und offene Kommunikation vermeiden.
Hier einige Tipps, wie Sie ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis pflegen und Streitigkeiten vorbeugen können:
- Stellen Sie sich vor: Wenn Sie neu in eine Nachbarschaft ziehen, stellen Sie sich Ihren Nachbarn persönlich vor. Ein freundliches „Hallo“ ist der erste Schritt zu einem guten Verhältnis.
- Seien Sie hilfsbereit: Bieten Sie Ihre Hilfe an, wenn Sie sehen, dass Ihr Nachbar Unterstützung gebrauchen könnte, zum Beispiel beim Tragen schwerer Gegenstände oder beim Schneeräumen.
- Nehmen Sie Rücksicht: Achten Sie auf Ruhezeiten, vermeiden Sie unnötigen Lärm und halten Sie Ihren Garten und Gehweg sauber.
- Informieren Sie Ihre Nachbarn: Wenn Sie größere Bauarbeiten oder Partys planen, informieren Sie Ihre Nachbarn rechtzeitig. Das zeigt Respekt und vermeidet unnötigen Ärger.
- Sprechen Sie Probleme offen an: Wenn es doch einmal zu einem Problem kommt, suchen Sie das persönliche Gespräch mit Ihrem Nachbarn, bevor Sie zum Anwalt gehen. Oft lassen sich Missverständnisse im direkten Gespräch ausräumen.
- Bleiben Sie kompromissbereit: Nicht immer kann man in allen Punkten einer Meinung sein. Seien Sie bereit, Kompromisse einzugehen, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Denken Sie daran: Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis ist Gold wert. Es macht das Wohnen angenehmer und spart im Zweifel Zeit, Geld und Nerven. Und bevor Sie das nächste Mal zum Bohrer greifen, denken Sie an das Urteil des BGH und fragen Sie im Zweifelsfall lieber einmal mehr Ihren Nachbarn. Denn manchmal ist weniger Bohren mehr Frieden.
Zusammenfassend: Vor dem Bohren kommt das Fragen – und die Unterscheidung zwischen Grenzwand und Nachbarwand! So vermeiden Sie unnötigen Ärger und sorgen für ein entspanntes Zusammenleben in der Nachbarschaft.