LG Frankenthal – Az.: 4 O 25/21 – Urteil vom 24.09.2021
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 17.441,29 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht Ansprüche nach einen Verkehrsunfall geltend.
Die Beklagte betreibt ein Abfallentsorgungsunternehmen. Der Landkreis … beauftragte sie unter anderem mit der Abfuhr der Restmüllbehälter.
Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad am 28.08.2020 morgens den Fahrradweg entlang der B … vom … kommend in Richtung …. Gegen 09:10 Uhr stürzte der Kläger kurz vor der Grundstückseinfahrt des Anwesens … in …. Infolge des Sturzes erlitt der Kläger erhebliche Verletzungen. Um 08:36 Uhr leerten die Mitarbeiter der Beklagten am Unfallort die Restmüllbehälter.
Mit der Klage macht der Kläger im Wesentlichen folgende Schadenspositionen geltend:
- Schmerzensgeld: EUR 7.000,00
- Verdienstausfallschaden: EUR 6.200,76
- Zuzahlungen (Physiotherapie): EUR 295,67
- Sachschäden: EUR 444,91
Der Kläger behauptet zum Unfallhergang, Mitarbeiter der Beklagten hätte kurze Zeit vor dem Sturz zwei Mülltonnen so nebeneinander auf den Radweg gestellt, dass dieser nicht mehr zu befahren war. Er habe die Mülltonnen von weitem gesehen und sei beim Versuch diesen auszuweichen zu Fall gekommen. Er habe den Schotterweg linksseitig des Radwegs auf der Seite zur Straße nutzen wollen, habe aber die linke Mülltonne berührt, sodass er nach kurzem Schlingern gestürzt sei.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.941,29 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag in Höhe von 7.000,00 € nicht unterschreiten darf, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung an den Kläger 150,00 € (Selbstbeteiligung) sowie weitere 922,77 € an die Rechtsschutzversicherung des Klägers, zur Schadennummer jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom …, der sich gegen … Uhr auf dem Fahrradweg entlang der B … in der Gemarkung … ereignete, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf den Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen werden oder übergegangen sind.
Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt vor, ihre Mitarbeiter hätten die von ihnen entleerten Mülltonen in die Grundstückseinfahrt des Anwesens zurückgestellt und nicht auf dem Radweg platziert.
Die Beklagte meint, sie sei nicht der richtige Anspruchsgegner. Der Kläger müsse sich an den Landkreis … wenden, weil dieser als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger die Beklagte als Privatunternehmer mit Hilfstätigkeiten im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge als Verwaltungshelfer betraut habe.
Der Kläger ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2021 informatorisch angehört worden. Für den Inhalt wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Darüber hinaus ist in der mündlichen Verhandlung das als Anlage K 8 vorgelegte Lichtbild vom Unfallort und der behaupteten Position der Mülltonnen in Augenschein genommen worden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Dem Kläger stehen keine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis zu.
Auch wenn man den Vortrag der Klageseite zum Unfallhergang, wonach Mitarbeiter der Beklagten zwei Mülltonnen kurz vor dem Anwesen nach der Leerung so auf dem Radweg abstellt haben sollen, dass ein Passieren nicht möglich gewesen sei, wie es sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern, vorgelegt als Anlage K 8, ergäbe, als zutreffend unterstellt, ergeben hieraus keine Ansprüche des Klägers.
Zwar dürfte in diesem Fall von einer der Beklagten zurechenbaren Verkehrssicherungspflichtverletzung auszugehen sein, weil jedenfalls dadurch, dass die Mülltonen nicht in einer möglichst den Verkehrsfluss schonenden Weise nebeneinander am Rand der dem Verkehr gewidmeten Wege abgestellt wurde, was ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre.
Allerdings schließt ein Mitverschulden des Klägers mögliche Ansprüche des Klägers aus. Nach § 254 BGB hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat.
Den Kläger trifft ein Verschulden gegen sich selbst, das die unterstellte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte vollkommen in den Hintergrund treten lässt. Dem Kläger ist der Vorwurf zu machen, dass er ohne ausreichenden Seitenabstand ein Verkehrshindernis versuchte zu passieren. Der angemessene Seitenabstand hängt im Zweifel von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den Straßenverhältnissen ab (KG Berlin, Beschluss vom 20. September 2010 – 12 U 216/09 Rn. 36).
Für das Passieren von Hindernissen bedeutet dies, wer als Fahrradfahrer bei dem Versuch ein offensichtlich erkennbares, ruhendes Hindernis zu passieren, mit diesem in Berührung kommt, ist für die erlittenen Schäden vollkommen selbst verantwortlich. Es realisiert sich nicht mehr die im Hindernis liegende Gefahr, sondern die grob fahrlässige Fahrweise des Radfahrers. Es drängt sich einem durchschnittlichen Fahrradfahrer auf, Hindernisse auf dem Radweg nicht so knapp zu passieren, dass eine Berührung mit dem Hindernis auch bei einem natürlicherweise gelegentlich leicht schwankenden Bewegungsvorgang überhaupt nur möglich ist. Ihm drängt sich auf, den gebührenden Abstand zu wahren und sich im Zweifel, insbesondere wenn die trotz des erkannten Hindernisses verbleibende Breite unklar ist, zuerst Klarheit über die Gefahrenlage zu verschaffen, statt sehenden Auges weiter auf das Hindernis zuzufahren. Andernfalls ist das Unfallgeschehen allein auf die Unbedachtheit des Passierenden zurückzuführen (zum Sturz eines Fußgängers beim Versuch Mülltonen auf dem Gehweg auszuweichen OLG Koblenz, VersR 1972, 1129).
Nach diesem Maßstab verstieß der Kläger nach seinen eigenen Vortrag in besonders grober Weise gegen das Gebot ausreichenden Seitenabstand zu Verkehrshindernissen zu halten. In diesem Fall war es so, dass sich links des Fahrradwegs ein Schotterstreifen befand und weiter links die Fahrbahn der B …. Es war taghell und die schwarzen Mülltonnen vom Weitem erkennbar. Der Kläger hat im Rahmen seiner informatischen Anhörung angegeben, die Mülltonen auch zuvor gesehen zu haben, aber zu spät erkennen konnte, wie viel Platz der Weg noch bot. Dem Kläger wäre es also möglich gewesen -unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt- Hindernisse linksseitig durch Nutzung des Schotterwegs und der Fahrbahn mit ausreichendem Abstand zu passieren, auch wenn dies mit Blick auf den Straßenverkehr möglicherweise ein Zuwarten erforderlich gemacht hätte. Er entschied nach seinem Vortrag sich jedoch dazu, die Mülltonnen so knapp zu passieren, dass es zu einer Berührung mit dieser kam und es zum folgenreichen Sturz kam.
Auf die Frage der Passivlegitimation kommt es demnach nicht an.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.