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Schmerzensgeldhöhe bei Ausschlagen eines oberen Schneidezahnes

LG Offenburg- Az.: 2 O 543/18

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.304,56 € nebst Zinsen aus 1.304,56 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.01.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 68%, die Beklagten gesamtschuldnerisch 32 %.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird bis 13.11.2019 auf 13.656,30 €, danach auf 13.574,88 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz infolge einer handgreiflichen Auseinandersetzung vor und im Restaurant des Klägers.

Der zum Vorsteuerabzug berechtigte Kläger betreibt in der B-straße in K. das Restaurant „L.“. Der Vater des Beklagten zu 4) betreibt nebenan das Restaurant „A.“. Die Beklagten zu 1) bis 3) sind Geschwister.

Am Vormittag des 10.05.2015 kam es auf der videoüberwachten Terrasse des Restaurants des Klägers zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien, die sich im Ladenlokal des Klägers fortsetzte. An der zunächst verbalen Auseinandersetzung waren auf Seiten des Klägers auch die Zeugen U.Y. und B.Y. (im Folgenden auch: „Lager Y.“) sowie auf Seiten der Beklagten die Zeuginnen H.D. und C.D. (im Folgenden auch: „Lager D./P.“) beteiligt.

Aufgrund der Handgreiflichkeiten erlitt der Kläger ein Hämatom unter dem rechten Auge, eine stecknadelkopfgroße Wunde an der rechten Schädeldecke, eine Thoraxprellung, eine Schürfwunde am Handgelenk sowie eine Schädelprellung. Zudem wurde ihm der rechte obere Schneidezahn ausgeschlagen, wobei es im Arztbericht heißt: „bei schlechtem Zahnzustand“ (vgl. Anlage K5). Der Kläger wurde vom Deutschen Roten Kreuz mit dem Krankenwagen ins O-Klinikum in K. verbracht, wo er auf eigenen Wunsch noch am gleichen Tag wieder entlassen wurde. Er war vom 12.05.2015 bis 29.05.2015 krank geschrieben. Er trägt mittlerweile eine provisorische Zahnprothese. Der Kläger ließ sein Restaurant von einem französischen Unternehmen für 2.680,00 € netto renovieren sowie eine kaputte Glasscheibe im Eingangsbereich für 980,00 € netto austauschen (vgl. die Rechnung unter Anlage K4). Für den Krankentransport und die anschließende Behandlung im Krankenhaus wurden ihm 322,91 € bzw. 160,00 € vom Deutschen Roten Kreuz bzw. vom O-Klinikum in Rechnung gestellt (Anlagen K6 – K8). Darüber hinaus holte sich der Kläger im September 2015 einen Kostenvoranschlag für eine dauerhafte Zahnprothese in Höhe 1.992,06 € netto ein (Anlage K9).

Das Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten der Beklagten betreffend die Klageschriften vom 05.12.2018 datiert auf den 11.01.2019 (Bl. 43 d.A.).

Der Kläger behauptet, dass er für den Angriff auf ihn und sein Restaurant keinen Anlass gegeben habe. Der Angriff der Beklagten sei telefonisch abgesprochen gewesen. Der Zeuge U.Y. habe sogar noch versucht zu schlichten. Er sowie die Zeugen U. und B.Y. seien in das Restaurant geflüchtet, wobei sie von den Beklagten verfolgt worden seien. Es seien immer mehr Personen auf Seiten der Beklagten dazugekommen. Durch den Angriff seien 3 Tische à 137,69 € netto und 7 Stühle à 42,00 € netto kaputt gegangen. Der Innenraum habe komplett neu gestrichen werden müssen. Er selbst sei kurz bewusstlos gewesen. Auf den Kosten für den Krankentransport und die Behandlung im Krankenhaus sei er sitzen geblieben, da seine Krankenkasse hierfür nicht aufkommen wolle. Er habe noch zwei bis drei Wochen danach an Kopfschmerzen und einem Übelkeitsgefühl infolge der Schädelprellung gelitten. Das Zahnfleisch rund um den ausgeschlagenen Zahn sei wund gewesen und habe geschmerzt, sodass insbesondere die Nahrungsaufnahme erschwert gewesen sei.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagten ihm zum Ersatz seiner materiellen Schäden in Höhe von insgesamt 7.574,88 € verpflichtet seien. Darüber hinaus stünde ihm unter Berücksichtigung des massiven und kollusiven Vorgehens der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 6.000,00 € zu.

Der Kläger hat seine Klage am 13.11.2019 vor Beginn der mündlichen Verhandlung um 81,42 € zurückgenommen (Bl. 135 d.A.).

Der Kläger beantragt zuletzt,

1.) Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 7.574,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2.) Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger als Gesamtschuldner ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und 6.000 € nicht unterschreiten sollte, zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass sie schon seit längerer Zeit vom Kläger und dessen Familienangehörigen terrorisiert würden. Insbesondere die Schwester des Beklagten zu 4) sei von der Familie Y. seit längerer Zeit bedroht und auf das Gröbste auch sexuell beleidigt worden. Auch der streitgegenständlichen Auseinandersetzung seien grobe Beleidigungen vorausgegangen. Zudem sei der Beklagte zu 2) in das Restaurant des Klägers gezogen worden. Die Aktionen der Beklagten dienten lediglich der Befreiung des Beklagten zu 2). Stühle, Tische, Glasscheiben etc. seien nicht kaputt gegangen. Das Restaurant hätte nicht komplett renoviert werden müssen. Der Kläger sei nie bewusstlos gewesen. Schmerzen habe er in den Folgewochen nicht gehabt. Die Kosten für seine medizinische Versorgung und den Krankentransport habe seine Krankenkasse übernommen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass sie nicht zum Schadensersatz verpflichtet seien, da ihre gemeinschaftlichen Handlungen durch Notwehr gedeckt gewesen seien. Selbst wenn, würden die objektiv verifizierbaren Verletzungen des Klägers allenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € rechtfertigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst jeweils dazugehöriger Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen U.Y., B. Y., H.D. und C.D., die Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakte sowie der Inaugenscheinnahme des Überwachungsvideos des Klägers. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 13.11.2019 (Bl. 131 ff. d.A.) und 19.02.2020 (Bl. 201 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1.) Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldner aus § 830 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB Ersatz seiner materiellen Schäden in Höhe von insgesamt 1.304,56 € sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € verlangen.

a) Der haftungsbegründende Tatbestand des § 830 Abs. 1 S. 1 BGB ist erfüllt.

aa) Durch eine gemeinschaftlich begangene Handlung wurde der Kläger in seinem Eigentum verletzt.

Zur Überzeugung des Gerichts steht nach Durchführung der Beweisaufnahme fest, dass die Beklagten mit einem Stuhl die Glasscheibe im Eingangsbereich des L. beschädigt haben, wobei auch der Stuhl zu Bruch ging, sowie darüber hinaus einen Glastisch auf der Terrasse des Klägers zerstört haben.

Dass die Glasscheibe von der Beklagten zu 3) mit einem Stuhl eingeschlagen wurde, hat diese in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2019 selbst ausdrücklich eingeräumt (Bl. 147 d.A.) und ist im Übrigen auf den Aufnahmen der Überwachungskamera zu sehen (ab Minute 47:00). Sinn dieser Aktion sei es gewesen – so auch die überstimmenden Aussagen der Zeugin H. D. in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2019 (vgl. Bl. 161 d.A.) als auch des Beklagten zu 4) in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung (Seite 4 des Vernehmungsprotokolls vom 20.05.2015) – den Beklagten zu 2), der angeblich vom Lager Y, in den Innenraum des L. gezogen worden sei, zu befreien, da die Terrassentür vom Lager Y. abgeschlossen worden sei. Dass dabei auch der dazu benutzte Stuhl zu Bruch ging, ist aus den beiden Bildern auf Seite 119 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte und den Aufnahmen der Überwachungskamera (ab Minute 47:02) ersichtlich. Zudem ist auf dem Überwachungsvideo von der klägerischen Terrasse zu sehen, wie der Tisch mit der Glasscheibe von der Beklagten zu 3) umgeworfen wird und die Glasscheibe infolgedessen in zig Teile zerfällt (ab Minute 46:42 des Überwachungsvideos). Dass diese Handlungen der Beklagten zu 3) einen den übrigen Mittätern nicht zurechenbaren Exzess darstellen, wurde von den Beklagten erst gar nicht eingewendet. Vielmehr hat der Beklagte zu 4) noch in mündlichen Verhandlung vom 19.02.2020 nach Inaugenscheinnahme des Überwachungsvideos bekräftigt, dass der Kläger das Geschehene verdient habe, wenn er eine Frau schlägt (Bl. 209 d.A.).

Nicht bewiesen ist dagegen die angebliche Zerstörung von zwei weiteren Tischen und sechs weiteren Stühlen. Deren Zerstörung oder Beschädigung ergibt sich weder aus dem Überwachungsvideo noch aus den Bildern in der Ermittlungsakte noch aus den Aussagen der Beteiligten im Rahmen ihrer jeweiligen Beschuldigtenvernehmungen. Auch in der Anzeigenaufnahme des Polizeibeamten G. heißt es lediglich: „Vor Ort konnte festgestellt, dass beim Le Garden eine Scheibe eingeschlagen, die Bestuhlung total verschoben war.“ (Bl. 34 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte). Nicht bewiesen ist aus den gleichen Gründen die Beschädigung des Putzes an allen vier Wänden im Innenraum des Restaurants, die vorgeblich eine komplette Renovierung erforderte. Hierauf angesprochen antwortete der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2019 ausweichend, dass nur renoviert worden sei, was auch kaputt war (Bl. 137 d.A.). Ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schäden am Putz war klägerseits – trotz richterlichen Hinweises (Bl. 91 und 178 d.A.) – nicht gewollt.

bb) Durch eine gemeinschaftlich begangene Handlung wurde zudem der Kläger in seiner Gesundheit und seinem Körper verletzt.

Dass das Hämatom unter dem rechten Auge, die stecknadelkopfgroße Wunde an der rechten Schädeldecke, die Thoraxprellung, die Schürfwunde am Handgelenk sowie die Schädelprellung durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Beklagten herbeigeführt wurden, ist zwischen den Parteien unstrittig.

Nicht bewiesen ist, dass der Kläger zwischenzeitlich bewusstlos war, da das Gericht den Einlassungen des Klägers, der bei der Geltendmachung seiner materiellen und immateriellen Schäden auch im Übrigen übertrieben hat (s.o.), u.a. aus diesem Grund keinen Glauben schenkt. Auch die Zeugen U. und B. Y. haben nicht gesehen, ob der Kläger bewusstlos war. Das gleiche gilt für die übrigen behaupteten körperlichen Nachfolgen der Tat.

cc) Die vorgenannten gemeinschaftlichen Handlungen der Beklagten waren rechtswidrig, insbesondere weder durch Notwehr i.S.v. § 227 BGB noch durch Angriffsnotstand nach § 904 BGB oder rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB gerechtfertigt.

(1) Das Einschlagen der Glasscheibe und die Zerstörung des Stuhls des Klägers waren rechtswidrig.

Den Beklagten ist insbesondere nicht der Nachweis gelungen, dass das Einschlagen der Glasscheibe mit dem Stuhl zur vorgeblichen Befreiung des Beklagten zu 2) aus dem Inneren des Restaurants notwendig war. Das Gericht ist bereits nicht davon überzeugt, dass der Beklagte zu 2) überhaupt vom Lager Y. gegen seinen Willen in das Restaurant gezogen und dort festgehalten wurde.

Schmerzensgeldhöhe bei Ausschlagen eines oberen Schneidezahnes
(Symbolfoto: Von Miriam Doerr Martin Frommherz/Shutterstock.com)

Dafür spricht zwar, dass die Beklagten zu 1) und 4) mit weiteren Mitstreitern aber ohne den Beklagten zu 2) ab Minute 46:47 des Überwachungsvideos überhastet durch den Haupteingang in das Restaurant stürmen, da die Terrassentür wenige Augenblicke vorher wohl in der Tat wie beklagtenseits vorgetragen verschlossen wurde. Zudem wurde der Beklagte zu 2) ausweislich des Notarztberichtes in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte selbst erheblich verletzt, was ebenfalls dafür spricht, dass er entsprechend dem Beklagtenvortrag mit Schlägen gegen Kopf und Oberkörper traktiert wurde, während ihm aufgrund der abgeschlossenen Terrassentür für wenige Sekunden niemand helfen konnte.

Dagegen spricht aber, dass auf Beklagtenseite niemand detailliert schildern konnte, wie und von wem der Beklagte zu 2) in das Restaurant des Klägers gezogen worden sein soll. Der Beklagte zu 2) hat lediglich erklärt, dass ihn „eine Person aufgrund des Durcheinanders reingezogen“ habe (Bl. 145 d.A.). Wo im Restaurant er mit Schlägen traktiert worden sein will, konnte er auch nicht schildern. Dies obwohl Lichtbilder von der Auseinandersetzung im Inneren des Restaurants existieren (vgl. Bl. 109 f. d.A.). Die Beklagte zu 4) will gesehen haben, dass der Beklagte zu 2) von hinten gepackt und ihm dabei der Mund zugehalten worden sein soll (Bl. 147 d.A.). Ein entsprechender Vortrag findet sich in ihrer Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei allerdings nicht. Vielmehr hat der Beklagte zu 4) im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vom 11.05.2015 gegenüber der Polizei noch behauptet, dass es der Beklagte zu 1) war, der vom Lager Y. in das Restaurant gezogen wurde (Bl. 34 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte), was aber durch die Videoaufnahmen widerlegbar ist. Das Gericht kann sich nach dem in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2019 gewonnenen Eindruck vom Beklagten zu 2) auch nicht vorstellen, dass dieser vom körperlich unterlegenen Lager Y. überwältigt und rückwärts in das Restaurant gezogen worden sein soll. Dies vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 2) ausweislich der Bilder der Überwachungskamera das aggressivste Verhalten aller an den Tag gelegt hat, sodass mit heftiger Gegenwehr zu rechnen gewesen sein muss. Das Gericht hält es daher auch für möglich, dass der Beklagte zu 2) für einen kurzen Moment allein gegen das Lager Y. im Innenraum gekämpft hat.

Der Stuhl ging nebenbei bemerkt ausweislich der Bilder der Überwachungskamera erst zu Bruch als schon alle Mitstreiter aus dem Lager D./P. mit Ausnahme der Beklagten zu 3) im Inneren des Restaurants waren. Bereits aus diesem Grund war die Zerstörung des Stuhls zur vermeintlichen Befreiung des Beklagten zu 2) nicht notwendig.

(2) Auch die Zerstörung des Glastisches war rechtswidrig.

Die Zerstörung des Glastisches durch die Beklagte zu 3) hat – was sich anhand des Überwachungsvideos nachvollziehen lässt (Minute 46:56) – keinen Zusammenhang mit der vorgeblichen Befreiung des Beklagten zu 2). Dieser wurde nicht zerstört, um in den Innenraum des klägerischen Restaurants zu gelangen, sondern ohne erkennbaren Grund am Rande der tätlichen Auseinandersetzung.

(3) Weiterhin war die Verletzung des Klägers weder durch Notwehr noch durch rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt.

Eine konkrete Notwehr- oder Notstandslage während der tätlichen Auseinandersetzung im Innenraum des Restaurants, insbesondere zur vorgeblichen Befreiung des Beklagten zu 2), wurde von den Beklagten nicht vorgetragen.

Auf die vorgeblichen Beleidigungen des Lagers Y. im unmittelbaren Vorfeld der tätlichen Auseinandersetzung auf der Terrasse kann nicht abgestellt werden, da diese jedenfalls im späteren Zeitpunkt der den Kläger verletzenden Handlungen beendet waren, sodass es zum vorgenannten maßgeblichen Zeitpunkt ebenfalls an einer Notwehr- bzw. Notstandslage fehlte (vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil. Band I, § 15 Die Notwehr Rn. 28).

Das Gleiche gilt für die beklagtenseits nicht bewiesenen, angeblichen Beleidigungen und Schubser Stunden vor der streitgegenständlichen Auseinandersetzung durch Mitarbeiter des Klägers (vgl. Bl. 34 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte).

b) Die Beklagten sind dem Kläger daher gesamtschuldnerisch zum Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden nach §§ 249 ff. BGB verpflichtet.

aa) Zu ersetzen sind die Kosten für den zerstörten Stuhl, für den zerstörten Glastisch und die Ersetzung der stark beschädigten Glasscheibe im Eingangsbereich.

Da der Stuhl und der Glastisch ausweislich der vorgelegten Rechnungen erst im Vormonat für 42,00 € bzw. 137,69 € (jeweils netto) gekauft wurden (vgl. Anlagen K2 und K3), schätzt das Gericht den Schaden des Klägers nach § 287 ZPO auf eben jene 179,69 €. Weiterhin sind dem Kläger die Kosten für die Ersetzung der zerstörten Glasscheibe im Eingangsbereich des L. in Höhe von 980,00 € netto zu ersetzen (vgl. Die Rechnung der Firma E. unter Anlage K4).

Von den Kosten für die Krankenbehandlung in Höhe von insgesamt 482,91 € sind nach § 287 ZPO lediglich 30%, d.h. 144,87 €, von den Beklagten zu ersetzen. Dem Gericht erschließt sich dabei nicht, wieso die Krankenkasse des Klägers die Kosten für den Krankentransport und die Notfallbehandlung im Klinikum O. nicht übernimmt. Das Gericht hält die Einlassung des Klägers, das Kosten für die Behandlung von Opfern einer Straftat nicht von seiner französischen Krankenkasse übernommen würden, sondern Ersatzansprüche direkt vom Opfer gegenüber den Tätern geltend gemacht werden müssten, für nicht glaubhaft. Diese Behauptung hat der Kläger trotz richterlichen Hinweises (Bl. 178 d.A.) auch nicht belegt. Das Gericht geht daher davon aus, dass auch Krankenkassen in Frankreich für die Behandlung von Opfern einer Straftat aufkommen. Im Hinblick auf die diversen Selbstbehaltsregelungen im französischen Gesundheitswesen schätzt das Gericht den Selbstbehalt des selbstständigen Klägers auf 30 %, sodass jedenfalls dieser Prozentsatz an den Gesamtkosten von den Beklagten zu tragen ist.

Nicht zu ersetzen sind auch die Kosten für die dauerhafte Zahnprothese in Höhe von 1.992,06 €. Ein Ersatz der fiktiven Kosten der Zahnbehandlung ist entgegen der Rechtsansicht des Klägers (vgl. Bl. 11 d.A.) nicht möglich. Wenn der Verletzte Behandlungskosten verlangt, obwohl er die Behandlung nicht durchführen lassen will, so verlangt er in Wahrheit eine Entschädigung (Kompensation) für die Fortdauer der Beeinträchtigung seiner Gesundheit. Eine derartige Kompensation ist dem Verletzten nur unter den Voraussetzungen des § 253 BGB zuzubilligen. Die Zuerkennung von fiktiven Heilbehandlungskosten würde zu einer Umgehung des § 253 BGB führen. Die Zahlung fiktiver Heilbehandlungskosten käme einem zusätzlichen Schmerzensgeld gleich, was einer im Gesetz nicht vorgesehenen Aufbesserung des Schmerzensgeldes entsprechen würde (BGH, Urt. v. 14.01.1986 – VI ZR 48/85, NJW 1986, 1538; OLG Köln, Urt. v. 19.05.1999 – 5 U 247/98, r + s 2000, 283; OLG Hamm, Urt. v. 27.03.2001 – 27 U 151/00, NZV 2002, 370, 371). Soweit der Kläger seinen Vortrag dahin geändert hat, dass er nach Abschluss des Verfahrens nun doch beabsichtige, sich die dauerhafte Prothese anfertigen zu lassen (Bl. 69 d.A.), sieht das Gericht diese Absicht im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger mittlerweile seit 4,5 Jahren ohne diese höherwertige Dauerlösung auskommt, als widerlegt an.

bb) Die körperlichen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen nach § 253 Abs. 2 BGB eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 3.000,00 €.

Die Höhe des einem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes ist unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgebenden Faktoren festzusetzen und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung stehen. Maßgeblich sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Bemessungsfaktoren sind vor allem die Umstände, die den Verletzten betreffen, also insbesondere Art und Dauer der erlittenen Verletzung. Zu berücksichtigen als Umstand, der aus der Sphäre des Schädigers stammt, ist vor allem der ihm anzulastende Verschuldensgrad und im Falle eines etwaigen Mitverschuldens des Geschädigten die Frage, welches Gewicht den jeweiligen Verursachungsbeiträgen zuzumessen ist. Schließlich kommt auch dem allgemeinen Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu (Palandt/Grüneberg, § 253 BGB Rn. 14 ff.).

Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung geht vorliegend zulasten der Beklagten insbesondere der Grad ihres Verschuldens sowie die Dauerhaftigkeit der Entstellung des Klägers infolge des Schneidezahnverlusts.

Die Beklagten haben dem Kläger im Rahmen einer gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzungshandlung mit einer zeitweisen 10 zu 4 Überzahl einen oberen Schneidezahn herausgeschlagen sowie weitere kleinere Verletzungen zugefügt, die trotz ihrer Geringfügigkeit angesichts des Vorsatzes der Beklagten aber nicht außer Acht zu lassen sind (vgl. Grüneberg, a.a.O. Rn. 14). Der zum Tatzeitpunkt 29-jährige Kläger ist deshalb für den Rest seines Lebens auf eine Zahnprothese angewiesen, um die ansonsten im täglichen Leben auf den ersten Blick ersichtliche Entstellung im Gesicht zu kaschieren.

Zugunsten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass das Gebiss des Klägers ausweislich der polizeilichen Lichtbilder in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte (dort Seite 113) bereits vor der Tat alles andere als ansehnlich war, was dem Zahnverlust angesichts der übrigen Auffälligkeiten im Gebiss Gewicht nimmt (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, § 226 StGB Rn. 3 zur strafrechtlichen Diskussion). Im Hinblick darauf, dass selbst der Notarzt ausdrücklich vermerkt hat, dass sich der ausgeschlagene Zahn in einem schlechten Zustand befand, ist davon auszugehen, dass der Kläger so oder so in absehbarer Zeit über ein Implantat oder eine Prothese hätte nachdenken müssen.

Nicht zu berücksichtigen ist der vom Kläger behauptete besonders brutale Tathergang, wonach bis zu 15 Personen gleichzeitig aus Autos ausgestiegen sein sollen, um ihn anzugreifen. Ausweislich den Aufnahmen aus der Überwachungskamera hat sich die tätliche Auseinandersetzung vielmehr so entwickelt, dass zunächst der Beklagte zu 2) den Kläger wutentbrannt zur Rede stellen wollte, anschließend sukzessive immer mehr Familienangehörige aus dem Lager der Beklagten dazugestoßen sind und sich aufgrund des ersten Faustschlages durch den Beklagten zu 1) sowie eines Stuhlwurfs durch die Beklagte zu 3) spontan eine handgreifliche Auseinandersetzung entwickelte, in deren Rahmen dem Kläger auf nicht mehr nachvollziehbare Weise die genannten Verletzungen zugefügt wurden.

Summa summarum hält das Gericht in grober und inflationsbereinigter Orientierung an der Entscheidung des OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 17.05.2006 – 19 U 37/06, NJW-RR 2007, 174 (dort: 6.000,00 € für das Abbrechen zweier Schneidezähne im Rahmen einer Prügelei unter Jugendlichen mit weiteren Dauerbeeinträchtigungen) eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000,00 € für angemessen.

cc) Die vorgenannten Schadensersatzansprüche sind nicht aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen.

Es kann offen bleiben, inwieweit der Kläger die Beklagten die beiden Jahre zuvor, insbesondere am Vormittag des 10.05.2015 beleidigt, geschlagen, Eigentum beschädigt, bei Behörden angeschwärzt oder sonst belästigt hat. Die Zuerkennung eines Mitverschuldensanteils für diese zeitlich weit vor den streitgegenständlichen Verletzungshandlungen liegenden vorgeblichen Aktionen käme einer Rechtfertigung von Selbstjustiz gleich, die vom Gericht nicht mit der Anerkennung eines auch nur geringfügigen Mitverschuldensanteils honoriert wird.

Dass der Kläger im Streitgespräch unmittelbar vor Beginn der handgreiflichen Auseinandersetzung diese durch Beleidigungen oder sonstige Provokationen mitverursacht hat, ist nicht bewiesen, insbesondere konnten die Beklagten keine Beispiele für eine angebliche Beleidigung bringen (vgl. Bl. 141 d.A.). Aus dem Überwachungsvideo ergibt sich im Gegenteil, dass der Kläger und seine drei späteren Mitstreiter zunächst beschwichtigen wollten, insbesondere der von der Beklagten zu 3) geworfene Stuhl zunächst wieder ordnungsgemäß aufgestellt wurde (Minute 45:30). Auch ist daraus ersichtlich, dass sich der Vater des Klägers, der Zeuge U. Y., zunächst um räumliche Distanz zwischen den beiden Lagern bemühte (ab Minute 45:05), wohingegen die Beklagten zu 2) und 4) wild in Richtung des Klägers gestikulierten bis es dann zum ersten Faustschlag durch den Beklagten zu 1) kam, der den Übergang zwischen verbaler und handgreiflicher Auseinandersetzung einläutete.

dd) Die gesamtschuldnerische Haftung folgt aus § 840 Abs. 1 BGB.

2.) Die Verzinsungspflicht betreffend den Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB. Eine Verzinsung des Schmerzensgeldanspruchs war nicht beantragt.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 S. 2 ZPO.

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